Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertkatalog für die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit. Streitwerterhöhende Bewertung eines Antrags auf vorläufige Weiterbeschäftigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichtete Streitwertkommission hat einen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeitet. Dieser entfaltet zwar keine rechtliche Bindungswirkung, stellt aber eine ausgewogene und mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.

2. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist streitwerterhöhend dann gemäß § 45 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 GKG zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden worden ist, wenn der Antrag in einem Vergleich sachlich mitgeregelt wird und dieser eine Regelung über ihn enthält oder wenn der Antrag ausdrücklich als unbedingter Hauptantrag gestellt worden ist.

 

Leitsatz (amtlich)

Freistellung und tatsächliche Beschäftigung schließen sich gegenseitig aus und sind daher kostenrechtlich als ein Gegenstand im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG zu behandeln. Die Einigung auf eine Freistellung erhöht deshalb den Vergleichswert nicht, wenn bereits ein Weiterbeschäftigungsantrag streitwertmäßig zu berücksichtigen ist (vgl. Ziffer I.25.1.4 Streitwertkatalog).

 

Normenkette

GKG §§ 45, 43; Streitwertkatalog Teil I. Nr. 18 Fassung: 2018-02-09, Nr. 25.1.3 Fassung: 2018-02-09, Nr. 25.1.4 Fassung: 2018-02-09, Nr. 26 Fassung: 2018-02-09

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 30.08.2021; Aktenzeichen 13 Ca 54/21)

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 14.07.2021; Aktenzeichen 13 Ca 54/21)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägervertreterin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 14.07.2021, Az. 13 Ca 54/21, in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 30.08.2021, abgeändert.

2. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 10.705,40 € und für den Vergleich auf 12.846,48 € festgesetzt.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

A.

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung zum 31.03.2021, einer weiteren Arbeitgeberkündigung zum 30.04.2021 und um Weiterbeschäftigung. Das Monatseinkommen der Klägerin betrug 2.141,08 € brutto.

Das Verfahren endete durch gerichtliche Feststellung eines Vergleichs durch Beschluss vom 03.03.2021. Hierin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2021, die Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge bis zum Beendigungszeitpunkt und die Erteilung eines qualifizierten Zwischen- und eines qualifizierten Zeugnisses zum Beendigungszeitpunkt u.a. mit einer "guten bis sehr guten, Tendenz sehr guten" Beurteilung. Wegen des genauen Wortlauts des Vergleichs wird auf Blatt 79 ff der Akten verwiesen.

Mit Beschluss vom 14.07.2021 setzte das Arbeitsgericht den Streitwert für das Verfahren auf 7.779,26 € und den überschießenden Vergleichswert im Hinblick auf die Einigung über das Zeugnis auf 2.141,08 € fest.

Auf die Beschwerde der Klägervertreterin vom 20.07.2021 setzte das Arbeitsgericht den Streitwert für das Verfahren mit Teilabhilfebeschluss vom 30.08.2021 (Blatt 97 ff der Akten) auf 8.564,33 € fest und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Weder der Weiterbeschäftigungsantrag noch die Regelung im Vergleich über die Freistellung seien streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.09.2021.

In ihrer Stellungnahme vom 15.09.2021 hält die Klägerinvertreterin daran fest, dass jedenfalls für den Vergleich sowohl der Weiterbeschäftigungsantrag als auch die Regelung über die Freistellung mit jeweils einem Monatsgehalt zu bewerten sei (Blatt 106 ff der Akten). Die anderen Beteiligten gaben keine Stellungnahme ab.

B.

I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Die Klägerinvertreterin kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.

II. Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Weiterbeschäftigungsantrag war bereits beim Verfahrensstreitwert mit einem Monatsgehalt zu berücksichtigen. Die Regelung über die Freistellung erhöhte den Wert des Vergleichs hingegen nicht weiter.

Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfalte...

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