Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahl. Anfechtung. Schriftliche Stimmabgabe. Öffentlichkeit. Fristen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Betriebsratswahl ist anfechtbar, wenn der Wahlvorstand in den außerhalb der Niederlassungen gelegenen Filialen weder persönliche Stimmabgabe im Wahllokal ermöglicht noch obligatorische schriftliche Stimmabgabe nach § 24 Abs. 3 WO anordnet.

2. Die nicht im Wahlausschreiben aufgeführte Handhabung, den jeweiligen Filialleitern die Wahlunterlagen zukommen zu lassen mit der Bitte, diese an die Beschäftigten zu verteilen und sie wieder einzusammeln, konnte das Wahlergebnis ebenfalls beeinflussen.

3. Der Wahlvorstand ist nicht befugt, nachträgliche Änderungen der Wählerliste den Wahlhelfern zu überlassen.

4. Der vom Wahlvorstand auf Bitten von Listenvertretern veranlasste Aushang von Bildern der Bewerber verletzt das Neutralitätsgebot, wenn der Aushang nicht für sämtliche Bewerber erfolgt, und begründet daher ebenfalls die Wahlanfechtung.

5. Die Zulassung der Öffentlichkeit bei der Stimmauszählung soll gewährleisten, dass ab Öffnen der Kuverts mit den Briefwahlumschlägen bis zur Feststellung des Stimmergebnisses auch nur der Anschein jeglicher Manipulation ausgeschlossen ist. Aus diesem Grund muss der Wahlvorstand auch im Beisein der Öffentlichkeit über die Gültigkeit von Stimmzetteln entscheiden. Schließt er die Öffentlichkeit zu einer solchen Beschlussfassung aus, ist die Wahlanfechtung auch aus diesem Grund begründet.

 

Normenkette

WO 2001 §§ 12-13; BetrVG § 19; WO 2001 § 24 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Beschluss vom 04.10.2010; Aktenzeichen 3 BV 24/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 5.) und 6.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 04.10.2010, Az. 3 BV 24/10, wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 6.) betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit bundesweit 17 Niederlassungen. Gemäß einem mit der Beteiligten zu 1.) abgeschlossenen Tarifvertrag sind sieben Betriebsratsregionen gebildet. Die Region Nr. 7 (Ost) umfasst drei Niederlassungsgebiete, in denen außer den Niederlassungsleitungen 805 Filialen mit über 15.200 Arbeitnehmern gelegen sind. Die Beteiligte zu 1.) ist die für die Einzelhandelsbranche zuständige Gewerkschaft; sie ist im Betrieb der Beteiligten zu 6.) vertreten. Die Antragsteller zu 2.) bis 4.) sind im Wahlbetrieb beschäftigte wahlberechtigte Arbeitnehmer. Beim Beteiligten zu 5.) handelt es sich um den im Mai 2010 gewählten Betriebsrat.

Der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl leitete die Wahl mit Wahlausschreiben vom 10.03.2010 ein. Das Wahlausschreiben enthält, soweit vorliegend von Interesse, folgende Festlegungen (Anlage A 1 zur Antragsschrift, Bl. 27 ff. d.A.):

19.03.2010 (Datum des Aushangs)

Die Betriebsratswahl findet am 03.05./04.05.2010 von 07.00 Uhr bis 20.00 Uhr, am 05.05.2010 von 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr in allen Filialen und den 3 Wahlbüros der NL G., NL T. und NL C. statt.

Ausgenommen hiervon sind die folgenden Betriebsteile bzw. Kleinstbetriebe, für die schriftliche Stimmabgabe gemäß § 24 Abs. 3 WO beschlossen wurde: ./.

Äußerst wichtig ist, dass nur diejenigen Arbeitnehmer/innen wahlberechtigt und wählbar sind, die in die Wählerliste eingetragen sind. Die Wählerliste und die Wahlordnung liegen in den Wahlbüros der NL G., NL T. und NL C. zur Einsicht aus und können zur Kenntnis genommen werden.

Sollten Sie der Auffassung sein, dass die Wählerliste fehlerhaft ist, so können Sie gegen diese schriftlich nur vor Ablauf von zwei Wochen seit dem Aushang des Wahlausschreibens Einspruch einlegen, eingehend beim Wahlvorstand unter der oben genannten Betriebsadresse bis spätestens zum 06.04.2010, 12.00 Uhr.

Ein verspätet oder nur mündlich eingelegter Einspruch kann nicht berücksichtigt werden.

Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn der Betriebsrat aus mindestens drei Mitgliedern besteht (§ 15 Bl. 2 BetrVG).

In unserem Betrieb sind 86,73% Frauen und 13,27% Männer beschäftigt.

Der Betriebsrat hat aus 39 Mitgliedern zu bestehen. Auf das Geschlecht in der Minderheit der Männer entfallen 5 Mindestsitze (§ 15 Bl. 2 BetrVG).

Gewählt werden können weiter nur diejenigen Arbeitnehmer/innen, die ordnungsgemäß zur Wahl vorgeschlagen wurden. Ein ordnungsgemäßer Wahlvorschlag setzt voraus, dass dieser gemäß § 14 Abs. 4 BetrVG von mindestens 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen unterzeichnet worden ist (Stützunterschriften). Der Wahlvorschlag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft muss von zwei Beauftragten unterzeichnet worden sein (§ 14 Abs. 5 BetrVG).

Die Stimmabgabe ist an die Wahlvorschläge gebunden. Die Wahlvorschläge müssen schriftlich in Form von Vorschlagslisten vor Ablauf von zwei Wochen seit dem Aushang dieses Wahlausschreibens beim Wahlvorstand unter der oben genannten Betriebsadresse...

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