Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswertfestsetzung bei Beschlussverfahren nach §§ 99 Abs. 4, 100 und 101 BetrVG. Halbierung des Hilfswerts bei Streit über die Einstellung für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis. Exponentielle Annäherung der Gegenstandswerte bei Masseneinstellungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Gegenstandswert des Antragsverfahrens nach § 100 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bewertung von Verfahren nach §§ 99 Abs. 4, 100 und 101 BetrVG geht das Beschwerdegericht in ständiger Rechtsprechung vom Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz RVG aus (II.14.2.1 Streitwertkatalog.). Dabei ist der Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG grundsätzlich bei einer Einstellung von bis zu drei Monaten mit 1/3 des Hilfswertes, von über drei Monaten bis zu sechs Monaten mit 2/3 des Hilfswertes und von über sechs Monaten mit dem vollen Hilfswert zu bewerten.

2. Nur die Einstellung im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigt eine ggf. weitere Halbierung des Hilfswertes.

3. Liegt ein Massenverfahren vor, wird die erste Einstellung mit dem zuvor ermittelten vollen Wert bewertet; die 2. bis 20. Einstellung mit 25 %, die 21. bis 50. Einstellung mit 12,5 %, alle weiteren Einstellungen mit 10 % dieses Wertes (vgl. II.14.7 Streitwertkatalog).

4. Der Antrag nach § 100 BetrVG wird mit dem halben Wert des jeweiligen Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG bewertet (II.14.5 Streitwertkatalog).

 

Normenkette

BetrVG §§ 99 ff.; RVG §§ 23, 33; Streitwertkatalog Fassung: 2018-02-09; BetrVG § 99 Abs. 4, §§ 100-101; Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit Ziff. II. Nr. 14.1; Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit Ziff. II. Nr. 14.2.1; Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit Ziff. II. Nr. 14.5; Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit Ziff. II. Nr. 14.7

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 24.08.2020; Aktenzeichen 5 BV 11/19)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 24.08.2020, Az. 5 BV 11/19, abgeändert.

2. Der Gegenstandswert wird auf 8.750,- € festgesetzt.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten stritten um Zustimmungsersetzung zu ca. viermonatigen Einstellungen als Verkaufskraft nach § 99 Abs. 4 BetrVG für insgesamt fünf Mitarbeiter und die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Einstellungen nach § 100 BetrVG. Ein Mitarbeiter sollte 25 Wochenstunden beschäftigt werden, zwei Mitarbeiter je 20 Wochenstunden und zwei Mitarbeiter als geringfügig Beschäftigte je acht Wochenstunden. Die Zustimmungsverweigerungsgründe waren identisch.

Nach Erledigterklärung der Beteiligten stellte das Arbeitsgericht das Verfahren ein.

Mit Beschluss vom 24.08.2020 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert auf 7.500,- € fest. Da es sich um befristete Teilzeitarbeitsverhältnisse handelte, legte das Arbeitsgericht für den ersten Mitarbeiter für den Zustimmungsersetzungsantrag den halben Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zugrunde, also 2.500,- € und für den Feststellungsantrag 1.250,- €, insgesamt also 3.750,- €. Für die weiteren Mitarbeiter setzte das Arbeitsgericht je ¼ dieses Wertes an.

Gegen diesen ihnen am 28.08.2020 zugestellten Beschluss legten die Vertreter des antragsgegnerischen Betriebsrats mit Schriftsatz vom 11.09.2020, eingegangen beim Arbeitsgericht am selben Tag, Beschwerde ein. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes sei von 5.000,- € auszugehen. Die vom Arbeitsgericht begründete Absenkung aufgrund der Befristung und dem zeitlichen Umfang der Arbeitsverhältnisse stellten mangels Bezug zum Streitgegenstand keinen wertbildenden Faktor dar.

Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 10.12.2020 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.01.2020 ein. Auf die Stellungnahmen wird verwiesen.

B.

I. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist zulässig.

Gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist, findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG eine Beschwerde dann statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Auf Grund der Begründung im Festsetzungsantrag geht das Gericht davon aus, dass eine Erhöhung des Gegenstandswerts auf 31.250,- € begehrt wird (5.000,- € je Mitarbeiter für die Zustimmungsersetzungsanträge, je 1250,- € für die Feststellungsanträge). Bereits die einfache Gebührendifferenz nach Anlage 2 zum RVG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung beliefe sich dann auf 482,- €. Die Beschwerde ist auch innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des angegriffenen Beschlusses beim Erstgericht eingegangen, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG. Den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners steht ein eigenes Beschwerderecht zu, § 33 Abs. 2 Satz 1 RVG. Zwar ist die Beschwerde nach ihrem Wortlaut namens und in V...

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