Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug. Böswilliges Unterlassen. Zumutbarkeit eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses. Prozessbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzungen des § 615 S. 2 BGB sind erfüllt, wenn der Arbeitgeber für eine vorläufige Weiterbeschäftigung nach Ausspruch einer Kündigung den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung verlangt und der Arbeitnehmer die Unterzeichnung verweigert.

 

Normenkette

BGB § 615; TzBfG §§ 21, 14 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 30.01.2003; Aktenzeichen 13 CA 623/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 30.01.2003, 13 CA 623/02, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.800,– EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Vergütung für Oktober und November 2002 in Höhe von insgesamt 4.800,– EUR. Er stützt seinen Anspruch auf Annahmeverzug, § 615 BGB. Die Beklagte wendet böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs ein, weil der Kläger eine angebotene vorläufige Weiterbeschäftigung nicht angenommen habe. Sie bestreitet den Anspruch auch der Höhe nach.

Der Kläger ist seit 1992 als Auslieferungsfahrer im Getränkegroßhandel der Beklagten beschäftigt. Er geht von einer monatlichen Vergütung von 2.400,– EUR brutto aus. Die Septemberabrechnung (Bl. 162 d.A.) weist ein Entgelt von 2.291,85 EUR brutto aus.

Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.08.2002 zum 27.09.2002 gekündigt und hatte diese Kündigung auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützt. Bezug genommen wird auf die Betriebsratsanhörung vom 15.08.2002, Bl. 137 und 138 d.A. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Mit Schreiben vom 03.12.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Kündigung vom 26.08.2002 nicht aufrechterhalte. Die Parteien setzten sodann das Arbeitsverhältnis fort.

Nach Ablauf der Kündigungsfrist bot der Kläger am Betriebssitz seine Arbeitskraft an. Die Beklagte, die zur Weiterbeschäftigung bereit war, legte dem Kläger folgende schriftliche Vereinbarung zur Unterzeichnung vor:

„Vor dem Hintergrund des andauernden Rechtsstreits über die krankheitsbedingte Kündigung vom 26.08.2002 wird folgendes vereinbart:

Die Fa. H. GmbH hält an ihrer Auffassung fest, wonach das Arbeitsverhältnis mit Herrn C. durch krankheitsbedingte Kündigung vom 26.08.2002 mit Ablauf des 27.09.2002 wirksam sein Ende gefunden hat.

Lediglich aus Gründen der Abwendung eines möglichen Annahmeverzugsrisikos werden folgende Punkte vereinbart:

  1. Herr C. erbring aufgrund dieser besonderen Vereinbarung – bis auf weiteres – seine gewohnte Arbeitsleistung bei der Fa. H. GmbH in L.. Es gelten insoweit die bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen. Die Firma H. GmbH wird den Arbeitnehmer für die Zeit der freiwilligen Weiterbeschäftigung die vertragsgemäße Vergütung zahlen.
  2. Auflösende Bedingung für das fortgeführte Arbeitsverhältnis ist, daß in dem zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Arbeitgeberkündigung vom 26.08.2002 eine rechtskräftige Entscheidung zu Gunsten der Firma ergeht. Mit Eintritt der Rechtskraft endet dieses Arbeitsverhältnis.
  3. Sofern festgestellt wird, daß die Kündigung der Fa. H. GmbH vom 26.08.2002 das Arbeitsverhältnis nicht beendet, besteht das ursprüngliche Arbeitsverhältnis fort.”

Der Kläger unterzeichnete nicht und teilte durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 01.10.2002 (Bl. 37 d.A.) mit, dass er seine Arbeitskraft anbiete, aber keine Verpflichtung zur Unterzeichnung der Vereinbarung bestehe. Die Beklagte verweigerte daraufhin die vorläufige Weiterbeschäftigung und die Entgeltzahlung für die Monate Oktober und November 2002.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei nicht verpflichtet gewesen, einen befristeten Arbeitsvertrag zu unterschreiben.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.800,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins nach § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes auf jeweils 2.400,– EUR brutto ab dem 30.10.2002 und ab dem 30.11.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe anderweitigen Verdienst durch vorläufige Weiterbeschäftigung erzielen können. Die vorläufige Weiterbeschäftigungsvereinbarung unterliege als auflösend bedingter Arbeitsvertrag dem Schriftformerfordernis gemäß §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG. Deshalb sei dem Kläger die schriftliche Vereinbarung zur Unterzeichnung vorgelegt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit Berufung trägt der Kläger vor, böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs liege nicht vor. Eine Verpflichtung, die schriftliche Vereinbarung zu unterzeichnen, habe nicht bestanden. Es handele sich um eine nachteilige Vereinbarung, für die im Übrigen ein Befristungsgrund gemäß § 14 TzBfG nicht gegeben sei. Im Übrigen sei die vor...

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