Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug. böswilliges Unterlassen von Zwischenverdienst

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitnehmer unterlässt böswillig anderweitigen Verdienst, wenn er vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Böswilligkeit setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Es genügt das vorsätzliche Außerachtlassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbstätigkeit. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten genügt nicht. Die vorsätzliche Untätigkeit muss vorwerfbar sein. Das ist nicht der Fall, wenn eine angebotene oder sonst mögliche Arbeit nach den konkreten Umständen für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Die Unzumutbarkeit kann sich etwa aus der Art der Arbeit, den sonstigen Arbeitsbedingungen oder der Person des Arbeitgebers ergeben. Die Frage der Zumutbarkeit ist unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben zu bestimmen.

2. Eine Anrechnung nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG kommt auch in Betracht, wenn der Arbeitgeber, der sich mit der Annahme der Dienste in Verzug befindet, Arbeit anbietet. Dies gilt insbesondere für den Fall einer bis zur endgültigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits befristeten Weiterbeschäftigung zu den selben Arbeitsbedingungen. Die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer hängt in diesem Fall vornehmlich von der Art der Kündigung und ihrer Begründung sowie dem Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess ab.

3. Die Zumutbarkeit scheitert nicht daran, dass das Angebot des Arbeitgebers eine Formulierung enthält, wonach die Beschäftigung mit der rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess enden sollte.

 

Normenkette

BGB § 615; KSchG § 11 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 01.12.2011; Aktenzeichen 4 Ca 1396/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 1.12.2011 - 4 Ca 1396/11 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug.

Die 1953 geborene Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.10.1993 als Pharmareferentin beschäftigt. Mit Schreiben vom 25.03.2009 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2009. Am 01.04.2009 ging das Arbeitsverhältnis infolge Betriebsübergangs gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte über. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 03.09.2009 (4 Ca 911/09) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der jetzigen Beklagten durch die Kündigung vom 25.03.2009 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Pharmareferentin weiterzubeschäftigen. Die gegen dieses Urteil von der Beklagten eingelegten Berufung blieb erfolglos. Die von der Beklagten gegen das Berufungsurteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, der Beklagten am 10.02.2011 zugestellt, zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 09.12.2009, hinsichtlich des Inhalts im Einzelnen auf Bl. 51 d. A. Bezug genommen wird, bot die Beklagte der Klägerin an, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des seinerzeit abhängigen Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Pharmareferentin weiterzubeschäftigen und bat die Klägerin - zum Zeichen ihres Einverständnisses - um Unterzeichnung der beigefügten Zweitschrift. Die Klägerin teilte der Beklagten hieraufhin mit Schreiben vom 16.12.2009 mit, dass sie zunächst juristischen Rat einholen wolle. Nach nochmaliger Aufforderung zur Stellungnahme seitens der Beklagten erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 14.01.2010, dass die Notwendigkeit für einen weiteren Vertrag nicht gegeben sei.

In der Folgezeit bot die Beklagte der Klägerin im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens mehrfach den Abschluss eines die Abrede über eine Prozessbeschäftigung beinhaltenden Zwischenvergleichs an. Die Klägerin verblieb jedoch bei ihrer Ansicht, dass es im Hinblick auf den ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruch insoweit keiner vertraglichen Vereinbarung bedürfe und bot ihre Arbeitsleistung der Beklagten mehrfach schriftlich an.

Mit ihrer am 09.08.2011 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte (zunächst) auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis einschließlich 13.04.2011 in Anspruch genommen. Die Beklagte, die die Gehaltszahlungen an die Klägerin (zunächst) für die Zeit ab dem 14.04.2011 wieder aufgenommen hatte, brachte im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens auch deren Arbeitsvergütung für die Zeiträume vom 01.10. bis 10.12.2009 und vom 10.02. bis 13.04.2011 unter Zugrundelegung des von der Klägerin vor Kündigungs...

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