Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber. Auslegung eines Tarifvertrags. Keine tarifliche Altersfreizeit im Zeitraum des Tarifurlaubs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grundsätzlich wird der Urlaub durch eine Erklärung des Arbeitgebers gewährt, mit der der Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum von der Arbeitspflicht befreit wird. Die Freistellungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang beim Arbeitnehmer wirksam wird. Der Leistungserfolg tritt ein, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich von der Arbeitspflicht befreit wird.

2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifregelung mit zu berücksichtigen.

3. Die Auslegung des § 12a MTV Chemie führt dazu, dass ein zusammengefasster Altersfreizeittag entfällt, wenn er im Zeitraum des Erholungsurlaubs liegt, mithin von Urlaub umschlossen ist. Der Altersfreizeitanspruch ist durch die Urlaubsgewährung entfallen.

 

Normenkette

MTV Chemische Industrie § 12a Nr. 6 Fassung: 1992-06-24 (2017-03-17); BGB § 130 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 2; BetrVG § 76 Abs. 6; MTV Chemische Industrie § 12 Abs. 9 Fassung: 1992-06-24 (2017-03-17)

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 27.07.2020; Aktenzeichen 13 Ca 317/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2022; Aktenzeichen 9 AZR 230/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgericht Hannover vom 27. Juli 2020 - 13 Ca 317/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Gutschrift eines Urlaubstages des Jahres 2019 auf seinem von der Beklagten geführten Urlaubskonto.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit August 0000 bei der Beklagten als Angestellter in Normalschicht tätig und erzielt eine Bruttomonatsvergütung von 0,00 €.

Die Beklagte gewährt dem Kläger über x-jährigen Kläger nach § 2a des Manteltarifvertrags für die Chemische Industrie, an den die Parteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit gebunden sind (siehe die Erklärung der Parteien zu Protokoll der Sitzung vom 13. Januar 2021), eine sog. Altersfreizeit von 2,5 Stunden pro Woche, die in Form von einem freien Tag alle drei Wochen zusammengefasst wird. Dies beruht auf einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28. Januar 1993 (Anlage zum Klägerschriftsatz vom 06. Januar 2021, Bl. 186 dA), in der die Betriebsparteien vereinbarten, dass anspruchsberechtigte Normal- und Zweischichtler alle 3 Wochen eine Altersfreizeit an einem vorher festgelegten Wochentag erhalten. Bei der Beklagten können die betroffenen Arbeitnehmer in Abstimmung mit der Führungskraft zwischen den Tagen Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag für die Altersfreizeit wählen. Die Altersfreizeittage werden sodann zu Beginn des Jahres festgelegt in einem sogenannten Altersfreizeitplan. Im Fall des Klägers hat man sich hinsichtlich der Altersfreizeittage auf den Mittwoch alle 3 Wochen verständigt. Im Jahr 2019 ergaben sich für den Kläger insgesamt 16 Altersfreizeittage. Einer dieser Altersfreizeittage fiel auf den 22. Mai 2019. Den Urlaub können die Arbeitnehmer im Angestelltenbereich, in dem der Kläger tätig ist, auch im Laufe des Jahres beantragen. Der Kläger beantragte vom 20. bis 31. Mai 2019 Erholungsurlaub. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, dass er am 22. Mai 2019 keinen Erholungsurlaub nehmen wolle, weil der Tag wegen eines zusammengefassten Altersfreizeittages gemäß § 2a Ziff. 2 Satz 3 MTV für ihn arbeitsfrei sei. Die Beklagte wies den Kläger mit E-Mail vom 14. Mai 2019 2019 darauf hin, dass er wegen des umschließenden Erholungsurlaubs für den 22. Mai 2019 keinen Altersfreizeittag nehmen könne. Sie kündigte an, dass für diesen Tag ein Urlaubstag abgezogen werde, falls der Kläger keinen Gleitzeittag in Anspruch nehmen wolle. Entsprechend dieser Ankündigung zog die Beklagte für den 22. Mai 2019 einen Urlaubstag von dem Urlaubskonto des Klägers ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, für den 22. Mai 2019 einen Urlaubstag vom Urlaubskonto abzuziehen. Der Wortlaut des § 2a MTV bestimme gerade nicht, dass ein Altersfreizeittag nicht von Urlaub umschlossen sein dürfe. Er hat gemeint, dann wäre es einem Arbeitnehmer nie möglich, zwei oder drei Wochen Urlaub zu nehmen, ohne die Altersfreizeittage zu verlieren. Einen derartigen Verlust hätten die Tarifvertragsparteien sicherlich nicht gewollt, sodass die Auslegung der tariflichen Regelung durch die Beklagte unzutreffend sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, dem Urlaubskonto des Klägers 1 Urlaubstag wieder gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf den Wortlaut der Vorschrift des § 2a Ziff. 6 Satz 1 MTV sowie auf Regelung des § 7 Bundesurlaubsgesetz verwiesen, wonach sie den Urlaub zusammenhängen...

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