Entscheidungsstichwort (Thema)

Abberufung „en bloc” und Neuwahlen zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern sowie von Ausschüssen nach Änderung der Mehrheitsverhältnisse durch Listenwechsel

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern bzw. die Bestellung von Ausschussmitgliedern nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt, hat der Betriebsrat über erneute Freistellung bzw. Besetzung der Ausschüsse Neuwahlen durchzuführen, wenn sich das Verhältnis der Listen durch den Listenwechsel von Betriebsratsmitgliedern ändert. Einer vorherigen Abberufung mit qualifizierter Mehrheit bedarf es in diesem Fall nicht.

 

Normenkette

BetrVG §§ 19, 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 38 Abs. 2, § 78

 

Verfahrensgang

ArbG Hameln (Beschluss vom 17.12.2004; Aktenzeichen 3 BV 7/04)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hameln vom 17.12.2004 – 3 BV 7/04 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit von betriebsratsinternen Abberufungen und Neuwahlen zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern sowie zur Besetzung von Ausschüssen, nachdem sich die Mehrheitsverhältnisse im Betriebsrat durch das Ausscheiden von Mitgliedern bzw. durch einen Listenwechsel geändert haben.

Der Antragssteller und Beteiligte zu 1.) ist Mitglied des Beteiligten zu 2.) (im Folgenden: des Betriebsrats) für die Liste ProMitarbeiter/in im DHV. In dieser Funktion war er als Nachrücker für die freigestellten Betriebsratsmitglieder sowie für die Mitglieder des Betriebsausschusses, den Ausschuss für Sicherheit und Wirtschaftsbetriebe sowie für den Ausschuss Aus- und Weiterbildung gewählt.

Der Betriebsrat ist für den Betrieb der Beteiligten zu 3.) und 4.) gebildet. Die im März 2002 durchgeführte Betriebsratswahl ergab folgende Mehrheitsverhältnisse:

Liste ver.di – zusammen mehr bewegen: 824 Stimmen = 10 Sitze.

Liste ProMitarbeiter/in: 613 Stimmen = 7 Sitze

Liste KOMBA: 334 Stimmen = 4 Sitze.

Der Betriebsrat besteht aus 21 Mitgliedern, von denen 5 nach § 38 Abs. 2 BetrVG freizustellen sind; die Betriebsparteien haben sich auf die Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds geeinigt.

Entsprechend der Mehrheitsverhältnisse entfielen nach der Verhältniswahl auf die Liste ver.di und ProMitarbeiter/in jeweils zwei Freistellungen und auf die Liste KOMBA eine Freistellung. Zusätzlich wurde der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats S. freigestellt.

Nach dem Ausscheiden der Betriebsrätin L., die von der ihr eröffneten Möglichkeit eines Wechsels im Traineeprogramm Gebrauch machte, wurde eine Nachbesetzung erforderlich. Da auf der Pro-Mitarbeiter/in-Liste keine weiblichen Ersatzmitglieder vorhanden waren, rückte das Ersatzmitglied G. von der ver.di-Liste nach, um dem nach § 15 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorgeschriebenen Proporz der Geschlechter zu entsprechen.

Am 26.02.2004 fanden gemäß Einladungsschreiben vom 18.02.2004 Neuwahlen der Freigestellten und Ausschussmitglieder für die verschiedenen Ausschüsse statt, nachdem der Betriebsratsvorsitzende Sc. und das Betriebsratsmitglied Ha… in der Sitzung von ihren Freistellungen zurückgetreten waren. Frau A. und Herr T. hatten ihren Sitz im Ausschuss für Sicherheit und Wirtschaftsbetriebe zurück gegeben, Frau E. hatte den Verzicht auf ihren Sitz im Betriebsausschuss erklärt.

Mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss des Arbeitsgerichts vom 27.08.2004 (3 BV 2/04) wurde die Neuwahl der Vertreter für den Ausschuss Sicherheit und Wirtschaftsbetriebe für unwirksam erklärt, nachdem das ehemalige Ausschussmitglied H. die Neuwahl angefochten hatte. Auf die weitere Anfechtung des nach Neuwahl nicht mehr freigestellten Betriebsratsmitglieds He. erklärte das Arbeitsgericht die Neuwahl der freigestellten Mitglieder mit weiterem Beschluss vom 01.09.2004 (2 BV 1/04) für unwirksam. Dieser Beschluss wurde den Beteiligten am 01.09.2004 zugestellt.

In der Zwischenzeit wechselte die Betriebsrätin M., die ursprünglich für die Liste ProMitarbeiter/in kandidiert hatte, zur ver.di-Liste. Dadurch verschoben sich die Sitzverhältnisse wie folgt:

Liste ver.di – zusammen mehr bewegen: 12 Sitze

Liste ProMitarbeiter/in: 5 Sitze

Liste KOMBA: 4 Sitze

Am 18.10.2004 lud der Betriebsrat zur außerordentlichen Sitzung für den 25.10.2004 ein. Die Tagesordnung sah unter anderem folgende Punkte vor:

„4. Abwahl aller nach § 38 des BetrVG gewählten freigestellten Betriebsratsmitglieder sowie ihre Vertreter (geheime Wahl)

5. Abwahl aller Mitglieder des Betriebsausschusses sowie ihrer Vertreter (geheime Wahl)

6. Abwahl aller Mitglieder des Ausschusses für Sicherheit und Wirtschaftsbetriebe sowie ihrer Vertreter (geheime Wahl)

7. Abwahl aller Mitglieder des Ausschusses des Aus- und Weiterbildung sowie ihrer Vertreter (geheime Wahl)

8. Einreichung der Wahlvorschläge für freizustellende Betriebsratsmitglieder und ihrer Vertreter

9. Einreichung der Wahlvorschläge für Mitglieder des Betriebsausschusses und ihrer Vertreter

10. Einreichung der Wahlvo...

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