Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Bewachungsgewerbe. Funktionsnachfolge. Wiedereinstellungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Wiedereinstellungsanspruch kommt grundsätzlich in Betracht, wenn die bisherige Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis kündigt und zu diesem Zeitpunkt aufgrund der erfolgten Neuausschreibung des Bewachungsauftrags zwar feststand, dass die von dem Kläger bislang verrichteten Tätigkeiten auch künftig anfallen werden, aber nicht klar war, wer aufgrund der erfolgten Ausschreibung künftig die Bewachungsaufgaben durchführen wird.

2. Sind an sächlichen Betriebsmitteln lediglich die Wachgebäude, die Telefonanlage und die Alarmanlage übernommen worden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass wesentliche materielle Betriebsmittel, die die Identität der wirtschaftlichen Einheit des Bewachungsbetriebes für den Truppenübungsplatz ausmachen, auf die Beklagte übergegangen sind.

3. Ein erheblicher Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten ist vorliegend zur Abgrenzung zwischen einer reinen Funktionsnachfolge bzw. Auftragsnachfolge und einem Betriebsübergang nicht geeignet.

4. Bewachungsleistungen werden üblicherweise nur unter Einsatz einfacher Arbeitsmittel angeboten. Dies spricht dafür, dass es sich hierbei um eine Branche handelt, in der es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt.

5. Die Übernahme von lediglich ca. 40% der Belegschaft des früheren Arbeitgebers stellt nicht einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals dar.

5. Ist die Arbeitsorganisation weitgehend vorgegeben durch den erteilten Bewachungsauftrag und die von dem Auftraggeber herausgegebene Wachanweisung für das Wachkommando der zivilen Wache, sind Ähnlichkeiten unvermeidbar, weshalb dieser Gesichtspunkt für die Unterscheidung zwischen einer reinen Auftragsnachfolge und einem Betriebsübergang nicht von entscheidender Bedeutung ist.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Hameln (Urteil vom 27.07.2006; Aktenzeichen 1 Ca 162/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 27.07.2006, 1 Ca 162/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger nach der Neuvergabe eines Bewachungsauftrags ein Wiedereinstellungsanspruch gegen den neuen Auftragnehmer, die Beklagte, zusteht.

Der Kläger war seit dem 01.10.1985 im Wachdienst auf dem Truppenübungsplatz B bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt. Sein letzter Arbeitgeber, die Firma N GmbH & Co KG, kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.09.2005 zum 01.01.2006, 7:00 Uhr (Bl. 7 d.A.), weil die zuständige Wehrbereichsverwaltung den Bewachungsauftrag neu ausgeschrieben hatte.

Nachdem im November 2005 bekannt geworden war, dass die Beklagte ab Januar 2006 den Zuschlag für den neuen Bewachungsauftrag erhalten hatte, bewarb sich der Kläger am 20.11.2005 schriftlich um eine Stelle bei der Beklagten. Seine Bewerbung wurde nicht berücksichtigt.

Die Beklagte führt den Bewachungsauftrag auf dem über 28.000 ha großen Truppenübungsplatz seit Januar 2006 unter Übernahme eines Teils der Mitarbeiter der Firma N GmbH & Co KG durch. Sie stellte mindestens 14 von 36 Vollbeschäftigten und 5 von 12 Aushilfen der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers ein.

Die Beklagte nutzt wie auch die Vorgängerfirma die auf dem zu bewachenden Gelände vorhandenen Wachgebäude nebst Telefonanlage und Alarmanlage. Die Überwachung findet dabei unverändert in 2 Schichten mit jeweils 15 Bewachungskräften statt. Nach einer 24-Stunden-Arbeitschicht folgt eine 24-stündige Freischicht.

Die Bewachung selbst erfolgt u. a. mit einem motorisierten Streifendienst. Die Beklagte setzt hierfür im Gegensatz zu der Vorgängerfirma, die von der Bundeswehr gestellte Fahrzeuge genutzt hatte, 4 eigene Fahrzeuge ein. Jedes Fahrzeug ist mit zwei Mitarbeitern besetzt.

Vier Mitarbeiter versehen ihren Dienst an 4 Schrankenposten, zwei weitere arbeiten im Bereich des so genannten Scheibenhofs, wo sich die Werkstätten, die Gebäude für die handwerklichen Bediensteten der Standortverwaltung, die Kantine und ein separates Wachgebäude für die Durchführung der Torpostenkontrollen befinden.

Grundlage für die Tätigkeit der Wachleute ist die von der Bundeswehr herausgegebene Wachanweisung für das Wachkommando der zivilen Wache.

Die Wachleute wurden von der Beklagten vollständig neu eingekleidet. Die während des Dienstes verwendeten Waffen wurden von der Pistole P 1 auf die Pistolen P 8 umgestellt.

Mit Schreiben vom 08.02.2006 (Bl. 8, 9 d.A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB geltend. Die Beklagte lehnte das Begehren mit Schreiben vom 08.02.2006 und 09.02.2006 ab (Bl. 10, 11 d.A.).

Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 09.08.2006 zugestelltes Urteil vom 27.07.2006, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbe...

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