Entscheidungsstichwort (Thema)

Listensprung. Nichtannahme der Wahl. Wahlgleichheit

 

Leitsatz (amtlich)

Führt der Schutz des Minderheitengeschlechts zu einem sogenannten Listensprung, dann muss dieser rückgängig gemacht werden, wenn sich durch die Nichtannahme der Wahl eines Kandidaten herausstellt, dass es eines Listensprungs nicht bedurft hätte. Dies gebietet der auch bei einer Betriebsratswahl zu beachtende Grundsatz der Wahlgleichheit

 

Normenkette

BetrVG § 15 II; BetrVG § 15 IV; WO § 17 II

 

Verfahrensgang

ArbG Göttingen (Beschluss vom 19.10.2010; Aktenzeichen 2 BV 2/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 6) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Göttingen vom 19.10.2010 – 2 BV 2/10 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob anstelle des Beteiligten zu 7) die Beteiligte zu 5) in den Betriebsrat gewählt worden ist.

Die Beteiligten zu 1) bis 5) und der Beteiligte zu 7) sind Arbeitnehmer im Betrieb der Beteiligten zu 8) in C-Stadt. Die Beteiligten zu 1) bis 4) sowie der Beteiligte zu 7) sind zudem Mitglieder des Betriebsrates, dem Beteiligten zu 6).

Am 20./21.04.2010 fand die Betriebsratswahl für das Jahr 2010 im Betrieb der Beteiligten zu 8) statt.

Bei dieser Wahl war ein aus 9 Personen bestehendes Betriebsratsgremium zu wählen. Es standen 3 Listen zur Abstimmung. Die Liste 1) (ver.di-Liste) erhielt 99 Stimmen. Auf ihr befanden sich auf den ersten 5 Listenplätzen Frauen. Auf dem 6. Listenplatz erschien der erste männliche Bewerber, der Beteiligte zu 7). Die Liste 2) erhielt 78 Stimmen. Die ersten 3 Kandidaten dieser Liste waren Frauen. Erst der 4. Kandidat war ein männlicher Bewerber. Die Liste 3) erhielt 41 Stimmen. Auf dem ersten Listenplatz kandidierte ein männlicher Bewerber. Der zweite Platz dieser Liste war mit einer Frau besetzt, der Beteiligten zu 5). Ohne Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts wären von Liste 1) 4 Kandidaten, von der Liste 2) 3 Kandidaten und von der Liste 3) beide Kandidaten, also auch die Beteiligte zu 5), gewählt worden.

Da in dieser Konstellation nicht die erforderliche Mindestzahl von Angehörigen des – im vorliegenden Fall männlichen – Geschlechts in das Betriebsratsgremium gewählt worden war, stellte der Wahlvorstand einen sogenannten Listensprung fest. Die Mindestzahl der zu wählenden männlichen Kandidaten (des Minderheitengeschlechts) beträgt im vorliegenden Fall 2. Dies führte dazu, dass die Liste 1) in der Person des Beteiligten zu 7) von der Liste 3) ein weiteres Betriebsratsmandat zuerkannt bekam.

Auf die Benachrichtigung ihrer Wahl teilte die an 3. Stelle der Liste 2) kandidierende Frau B. mit Schreiben vom 26.04.2010 dem Wahlvorstand mit, dass sie die Wahl aus persönlichen Gründen nicht annehme.

Nach einer außerordentlichen Sitzung des Wahlvorstandes am 29.04.2010 gab dieser noch am selben Tag das Wahlergebnis bekannt. Hiernach waren von der Liste 1), der ver.di-Liste, 5 Personen (Frau B., Frau B., Frau S, Frau H. und der Beteiligte zu 7) gewählt. Die Liste 2) erhielt nach der Bekanntmachung 3 Sitze, nämlich die Beteiligte zu 1), die Beteiligte zu 3) und den Beteiligten zu 4) als männliches Betriebsratsmitglied an ursprünglich 4. Stelle der Liste 2). Die Liste 3) erhielt in der Person des Beteiligten zu 2) lediglich einen Betriebsratssitz.

Mit einem am 11.05.2010 beim Arbeitsgericht eingegangen Antrag haben die Beteiligten zu 1) bis 5) die Betriebsratswahl angefochten. Sie haben u. a. – soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung – die Auffassung vertreten, die Wahl sei deshalb anfechtbar, weil der Beteiligte zu 7) und nicht die Beteiligte zu 5) vom Wahlvorstand als Betriebsratsmitglied benannt worden sei. Der Wahlvorstand habe zu Unrecht einen Listensprung und die Wahl des Beteiligten zu 7) festgestellt.

Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben beantragt,

  1. Die Betriebsratswahl vom 20./21.04.2010 für unwirksam zu erklären,
  2. hilfsweise festzustellen, dass anstelle des Beteiligten zu 7 die Beteiligte zu 5) in dem Betriebsrat gewählt worden ist.

Der Beteiligte zu 6) hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 7) und 8) haben keine Anträge gestellt.

Mit Beschluss vom 19.10.2010 hat das Arbeitsgericht Göttingen den Hauptantrag zurückgewiesen und auf den Hilfsantrag festgestellt, dass anstelle des Beteiligten zu 7) die Beteiligte zu 5) in den Betriebsrat gewählt worden ist. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung sowie des gesamten erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (Bl. 123 bis 129 der Gerichtsakte) verwiesen.

Dieser Beschluss ist dem Beteiligten zu 6) am 01.11.2010 zugestellt worden. Mit einem am 29.11.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er Beschwerde eingelegt und diese mit einem 22.12.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet. Soweit die Beteiligten zu 1) bis 5) mit ihrem Hauptantrag vor dem Arbeitsgericht Göttingen in 1. Instanz unterlegen gewesen sind, richtet sich hiergegen seine Beschwe...

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