Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahlanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

Es liegt ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren vor, § 19 Abs. 1 BetrVG, wenn der Wahlvorstand unter Missachtung der Vorgaben des § 24 WO 2001 generell für alle Wahlberechtigten die schriftliche Stimmabgabe anordnet und unterschiedslos auch Betriebsteile, die im Stadtgebiet nur wenige km vom Hauptbetrieb entfernt liegen, als räumlich weit entfernt i. S. d. § 24 Abs. 3 WO 2001 behandelt und außerdem Schichtdienstleistende und Arbeitnehmer, die ihre Arbeit am Hauptbetrieb aufnehmen und beenden unterschiedslos als solche behandelt, die nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses im Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, § 24 Abs. 2 WO 2001.

 

Normenkette

BetrVG § 19; WO § 24

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Beschluss vom 04.05.2010; Aktenzeichen 1 BV 6/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 6) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 04.05.2010 (1 BV 6/10) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten zweitinstanzlich über die Frage der Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl.

Die Antragsteller zu 1. bis 3. sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 7., die weiteren Antragsteller zu 4. und 5. sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 9. Die Beteiligte zu 7. ist ein regionaler Versorger. Der Beteiligte zu 6. ist der am 15.03.2010 gewählte Betriebsrat der Beteiligten zu 7. bis 10. Ausweislich des Wahlausschreibens vom 18.01.2010 wurde in Teilbetriebsversammlungen der Tochtergesellschaften die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a in Verbindung mit Abs. 3 BetrVG für die Beteiligten zu 7. bis 10. beschlossen. Bereits in seiner konstituierenden Sitzung am 17.12.2009 fasste der von dem vormaligen Betriebsrat bestellte (siehe Anlage zum Schriftsatz der Antragsteller vom 07.03.2011, Bl. 331 d. A.) Wahlvorstand den Beschluss, dass ausschließlich Briefwahl durchgeführt werden sollte. Demgemäß war in dem veröffentlichten Wahlausschreiben vom 18.01.2010 festgehalten, dass ausschließlich Briefwahl stattfindet. Gemeinsam mit dem Wahlausschreiben vom 18.01.2010 wurde die Wählerliste ausgelegt, in der neben den insgesamt 421 Wahlberechtigten der Beteiligten zu 7. bis 10. 84 Mitarbeiter der Beteiligten zu 11. als wahlberechtigte Arbeitnehmer aufgeführt waren. Bei der Beteiligten zu 11., die insgesamt ca. 600 Arbeitnehmer beschäftigt, handelt es sich um eine Kooperation der Beteiligten zu 7. und der LandE F. GmbH mit Wirkung ab 01.10.2005.

Die Beteiligte zu 7. beschäftigt insgesamt 39 wahlberechtigte Arbeitnehmer, davon 20 sog. Geodienstmitarbeiter, die ihren Dienst am Hauptsitz der Beteiligten zu 7., A-Straße beginnen und ihn dort ca. gegen 15.00 bis 15.30 Uhr beenden. Die von diesen Mitarbeitern benutzten Fahrzeuge stehen auf dem Hof des Hauptsitzes. Außerdem ziehen sich die Mitarbeiter, die Arbeitskleidung tragen, dort um und essen zum Teil auch mittags in der im Hauptsitz befindlichen Kantine, in der die Beschäftigten aller vier Unternehmen ihr Mittagessen und Frühstück einnehmen können. Weitere sechs mit der Wartung der Straßenbeleuchtung beschäftigte Arbeitnehmer beginnen und beenden ihre Arbeit ebenfalls auf dem Hauptgelände in der Arbeitszeit von ca. 7.00 bis 15.00 Uhr. Teilweise arbeiten diese Mitarbeiter (Rufbereitschaft) auch abends.

Die Beteiligte zu 8. beschäftigt 36 Wahlberechtigte, davon zwölf Techniker im Außendienst. Diese nehmen – sofern sie nicht ihre Fahrzeuge mit nach Hause nehmen und auch kein Material im am Hauptsitz der Beteiligten zu 7. befindlichen Lager aufnehmen müssen – regelmäßig ihre Tätigkeit vom Hauptsitz der Beteiligten zu 7. aus auf, weil die Fahrzeuge dort auf dem Gelände parken. Von den 14 Kundenberatern der Beteiligten zu 8. befindet sich in der Regel einer in der Außenstelle in G., der allerdings auch einen Arbeitsplatz in der Zentrale der Beteiligten zu 7. hat. Die anderen 13 arbeiten im Hauptgebäude in der A-Straße in A-Stadt. Erst nach der streitbefangenen Betriebsratswahl wurde ein Verkaufsladen, der ca. 500 m entfernt in der Fußgängerzone liegt, eingerichtet.

Die Beteiligte zu 9., mit 196 Mitarbeitern, unterhielt im Zeitpunkt der Betriebsratswahl eine Leitstelle im Hauptgebäude der Beteiligten zu 7. in der A-Straße, A-Stadt. In dieser waren neun Verkehrsmeister beschäftigt. Die 135 Busfahrer der Beteiligten zu 9. nehmen ihre Arbeit am Betriebshof der Beteiligten zu 9., der ca. 2,5 bis 3,1 km vom Hauptsitz der Beteiligten zu 7. entfernt ist, auf und beenden sie auch dort. Für sie gibt es einen Aufenthaltsraum im Hauptgebäude der Beteiligten zu 7. unmittelbar neben der Kantine. Auf dem Betriebshof der Beteiligten zu 9. befindet sich außerdem eine Werkstatt, in der 20 Kfz-Mechaniker im Schichtdienst arbeiten. Weiter werden auf dem Betriebshof die Busse von acht – in der Regel vollzeitbeschäftigten – Reinigungskräften, die zu normalen Arbeitszeiten beginne...

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