Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungspflicht bei Einstellung und Eingruppierung eines Arbeitnehmers mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit nach § 1 Abs. 3 NV Bühne

 

Leitsatz (amtlich)

Die Antragstellerin beschäftigt in ihrem Staatstheater 10 Beleuchtungsmeister, die unbefristet auf der Grundlage des TVöD angestellt sind. Im Dezember 2007/März 2008 teilte sie dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige einen neuen Beleuchtungsmeister befristet auf Grundlage des sog. Normalvertrag Bühne einzustellen. Nach § 67 NV Bühne ist eine Gage frei anzuhandeln.

Trotz Widerspruchs des Betriebsrats vollzog die Antragstellerin die Einstellung. Einen Antrag nach § 100 BetrVG hat der Betriebsrat nicht gestellt. Die Antragstellerin begehrt nun mit mehreren Feststellungsanträgen zu klären, dass dem Betriebsrat bei einer Einstellung nach NV Bühne keine Mitbestimmungsrechte zustehen.

Soweit sich die Feststellungsanträge auf die vollzogene Einzelmaßnahme beziehen, sind sie unzulässig, weil das Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG den Rechtsschutz umfassend ausgestaltet. Ein weitergehendes Feststellungsinteresse des Arbeitgebers ist nicht gegeben.

Soweit die Antragstellerin einen allgemeinen Feststellungsantrag für die Zukunft gestellt hat, ist dieser zulässig, aber unbegründet. Dem Betriebsrat stehen auch bei der Vereinbarung des NV Bühne Mitbestimmungsrechte zu, deren Umfang im vorliegenden Verfahren nicht im Einzelnen geklärt zu werden braucht. Zwar enthält der NV Bühne selbst keine Vergütungsordnung. Schon die Entscheidung des Arbeitgebers im Vorfeld, ob eine Einstellung auf der Basis des TVöD oder des NV Bühne erfolgen soll, stellt aber eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierungsentscheidung dar(im Anschluß an BAG vom 26.10.2004 – 1 ABR 37/03 und vom 17.06.2008 – 1 ABR 37/07).

Dem steht auch § 118 Abs. 1 BetrVG nicht entgegen, da hier keine Beschäftigten betroffen sind, die an der Tendenzverwirklichung unmittelbar und maßgeblich beteiligt sind.

 

Normenkette

NV Bühne § 1 Abs. 3; BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Beschluss vom 09.07.2008; Aktenzeichen 5 BV 4/08)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 27.10.2010; Aktenzeichen 7 ABR 96/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.07.2008 – 5 BV 4/08 – abgeändert.

Der Feststellungsantrag zu 3) wird – auch in der Fassung des Hilfsantrages – abgewiesen.

Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um mehrere Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung des Mitarbeiters Herrn H. als Beleuchtungsmeister.

Im Betrieb der Antragstellerin werden die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten durch drei unterschiedliche Tarifwerke geregelt (Texte im Anlagenband), deren Anwendung jeweils in den abgeschlossenen Anstellungsverträgen vereinbart wird. Es handelt sich zum einen um den Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK), der im vorliegenden Verfahren keine weitere Rolle spielt. Für die Beschäftigten in den nicht künstlerischen, insbesondere den technischen Berufen wird das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes zugrunde gelegt, das heißt der TVöD. Der Normalvertrag (NV) Bühne vom 15.10.2002 gilt einerseits für Solomitglieder sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder. Ferner gilt er auch für Bühnentechniker. Dieser Personenkreis ist in § 1 Abs. 3 NV Bühne wie folgt näher beschrieben:

„Bühnentechniker sind Technische Direktoren und technische Leiter, Vorstände der Malsäle, Leiter des Beleuchtungswesens, Leiter der Bühnenplastikerwerkstätten, Leiter des Kostümwesens, Leiter der Ausstattungswerkstätten, Chefmasken bildner, Referenten und Assistenten der Technischen Direktoren und technischen Leiter, Tonmeister.

Oberinspektoren und Inspektoren, Theater- und Kostümmaler, Beleuchtungsmeister und Beleuchter, Bühnenplastiker (Kascheure), Maskenbildner, Requisitenmeister und Requisiteure, Gewandmeister, Bühnenmeister, Veranstaltungstechniker, Tontechniker und Personen in ähnlicher Stellung sind Bühnentechniker im Sinne dieses Tarifvertrags, wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind.”

Für diesen Personenkreis sieht § 67 NV Bühne vor, dass im Arbeitsvertrag eine Gage zu vereinbaren ist, die mindestens 1.550,00 EUR, ab dem 01.01.2009 mindestens 1.600,00 EUR monatlich beträgt. Es ist vorgesehen, dass der Arbeitsvertrag mit Rücksicht auf die künstlerischen Belange der Bühne grundsätzlich ein Zeitvertrag ist (§ 2 Abs. 2 NV Bühne).

Bei der Antragstellerin sind ca. 10 Beleuchtungsmeister fest angestellt in unbefristeten Arbeitsverhältnissen auf Grundlage des TVöD. Für sie gelten dementsprechend auch die Eingruppierungsvorschriften des TVöD. Daneben hat die Antragstellerin in der Vergangenheit auch Beleuchtungsmeister auf der Grundlage freier Dienstverträge eingesetzt.

Mit Formularschreiben vom 10.12.2007 (Bl. 7 d. A.) informierte die Antragstellerin den Antragsgegner darüber, dass sie beabsichtige den Mitarbeiter Herrn H. als...

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