Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Umgruppierung. Herauswachsen aus tariflicher Vergütungsordnung. außertarifliches betriebliches Vergütungssystem. Antragsänderung im Rechtsbeschwerdeverfahren. Betriebsverfassungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

  • Unterlässt der Arbeitgeber eine betriebsverfassungsrechtlich gebotene Ein- oder Umgruppierung, so kann der Betriebsrat zur Sicherung seiner Mitbestimmungsrechte verlangen, dem Arbeitgeber die Ein- oder Umgruppierung aufzugeben und ihn sodann zur Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung zur Einleitung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens zu verpflichten.
  • Eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber auf Grund einer Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Arbeitnehmer nicht mehr in einer der Gehaltsgruppen der maßgeblichen Vergütungsordnung einzugruppieren ist, weil seine Tätigkeit höherwertige Qualifikationsmerkmale als die höchste Vergütungsgruppe aufweist.
  • Wächst ein Arbeitnehmer aus einer tariflichen Vergütungsordnung heraus und besteht ein gestuftes außertarifliches Vergütungssystem, so ist eine Umgruppierung erst mit der Eingruppierung in die außertarifliche Vergütungsordnung vollständig vorgenommen.
 

Orientierungssatz

  • Eine Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber auf Grund einer Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, der Arbeitnehmer unterfalle nicht mehr der tariflichen Vergütungsordnung, da seine Tätigkeit höherwertige Qualifikationsmerkmale aufweise als die höchste tarifliche Vergütungsgruppe.
  • Gibt es neben einer tariflichen Vergütungsordnung ein außertarifliches gestuftes Vergütungssystem, so erschöpft sich im Falle des Herauswachsens eines Arbeitnehmers aus der tariflichen Vergütungsordnung die mitbestimmungspflichtige Umgruppierung nicht in der “Ausgruppierung”, sondern erfasst notwendig zugleich die Eingruppierung in das außertarifliche System.
  • Führt der Arbeitgeber eine betriebsverfassungsrechtlich gebotene Umgruppierung nicht vollständig durch, kann der Betriebsrat die Vornahme der Umgruppierung sowie seine Beteiligung hieran verlangen.
  • Eine die Eingruppierung erfordernde Vergütungsordnung ist ein kollektives, mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes Entgeltschema, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer nach bestimmten, generell beschriebenen Merkmalen vorsieht.
 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, §§ 101, 95 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 10; ZPO § 139 Abs. 1, §§ 148, 253 Abs. 2 Nr. 2, § 888 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG München (Beschluss vom 11.02.2003; Aktenzeichen 6 TaBV 19/02)

ArbG München (Beschluss vom 15.02.2002; Aktenzeichen 35 BV 260/01)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 2003 – 6 TaBV 19/02 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verpflichtung der Arbeitgeberin wie folgt gefasst wird:

Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Mitarbeiter Dr. Ma.…, Dr. E.… und P.… S.… umzugruppieren, die Zustimmung des Betriebsrats hierzu einzuholen und im Falle der Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über Beteiligungsrechte des Betriebsrats beim Wechsel von Mitarbeitern aus dem Tarifbereich in den außertariflichen Bereich.

Die Arbeitgeberin betreibt ein technisch-wissenschaftliches Dienstleistungsunternehmen mit etwa eintausend Mitarbeitern. Sie ist Mitglied des Vereins der Bayerischen Metallindustrie und wendet ua. den Manteltarifvertrag für die Angestellten der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) an. Dessen § 1 Nr. 3 Abs. 2 lit. d lautet:

“(II) Nicht als Angestellte im Sinne dieses Vertrages gelten

d) sonstige Angestellte, deren Gehalt auf außertariflicher Grundlage über den Rahmen des höchsten Tarifsatzes der Gruppe VII um 25 v.H. hinausgehend geregelt ist.”

Am 4. Dezember 1997 schloss die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen, Gehaltsbänder und Eingruppierung für außertarifliche Mitarbeiter (BV FGE-AT). In dieser heißt es ua.:

“1. Geltungsbereich

Außertarifliche Mitarbeiter im Sinne dieser Betriebsvereinbarung sind die Mitarbeiter in den alten Bundesländern (Regionalbereich I), die nach dem persönlichen Geltungsbereich gem. I, § 1, Ziff. 3 Abs. II, lit d) MTV für Angestellte der bayerischen Metallindustrie nicht dem Tarifbereich zuzuordnen sind.

2. Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen

Grundlage für diese Betriebsvereinbarung sind die in Anlage 1 aufgeführten Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen für außertarifliche Mitarbeiter der IABG.

3. Gehaltsbänder

In der Anlage 2 sind die Gehaltsbänder der außertariflichen Mitarbeiter der IABG einschließlich Führungspersonal aufgeführt.

4. Ein- und Umgruppierung

4.1 AT-Mitarbeiter werden gemäß den Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen und Anforderungen an die Berufserfahrung in die jeweiligen Gehaltsgruppen gem. Anlage 1 eingruppiert. Die erstmalige Eingruppierung erfolgt nach Inkrafttreten dieser BV. Dabei darf keine Reduzierung des bisherigen Gehaltes erfolgen.

4.2 Ein-/Umgruppierungen sind personelle Einzelmaßnahmen, die im Rahmen der Personalentwicklung unter Berücksichtigung von § 99 BetrVG durchgeführt werden. Wenn sich das Gehalt eines Arbeitnehmers aufgrund einer individuellen Entscheidung des Arbeitgebers unter oder über die jeweiligen Grenzwerte des Gehaltsbandes verändert, so ist der Arbeitnehmer neu einzugruppieren.

4.3 AT-Mitarbeiter ohne Führungsfunktionen werden wie folgt eingruppiert:

4.3.1 Im Regionalbereich I in die Gruppen

AT-MA, AT-MB und AT-MC

6. Gehaltserhöhungen

6.1 Gehaltserhöhungen für AT-MA in den Regionalbereichen I und II

AT-Mitarbeiter, die sich im Gehaltsband AT-MA befinden, werden durch individuelle Gehaltserhöhungen in der Regel innerhalb von zwei Jahren in den Bereich AT-MB umgruppiert, soweit dem keine von Mitarbeiter/innen zu vertretenden besonderen Gründe entgegenstehen. Der BR ist hierüber zu informieren. …”

Die Anlage 1 zur BV FGE-AT enthält für die Gruppen AT-MA, AT-MB und ATMC Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen, in denen es ua. heißt:

“Mitarbeiter (Gruppe AT-MA)

Allgemeine Aufgabenbeschreibung:

• Der Mitarbeiter bearbeitet in der Regel größere Aufgabengebiete bzw. Projekte.

Spezielle Tätigkeiten:

• Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Mitarbeiters liegt in der Durchführung der ihm übertragenen bzw. akquirierten Tätigkeiten/Projekte.

Mitarbeiter (Gruppe AT-MB)

Allgemeine Aufgabenbeschreibung:

• Der Mitarbeiter bearbeitet in der Regel größere komplexere Aufgabengebiete bzw. Projekte, deren Lösung umfangreiches Fachwissen und Erfahrung voraussetzt.

Spezielle Tätigkeiten:

• Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Mitarbeiters liegt in der selbständigen Durchführung der ihm übertragenen bzw. akquirierten Tätigkeiten/Projekte.

Mitarbeiter (Gruppe AT-MC)

Allgemeine Aufgabenbeschreibung:

• Der Mitarbeiter bearbeitet in der Regel größere komplexere Aufgabengebiete bzw. Projekte, deren Lösung ein Expertenwissen, umfangreiches Fachwissen und Erfahrung voraussetzt.

Spezielle Tätigkeiten:

• Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Mitarbeiters liegt in der selbständigen Durchführung der ihm übertragenen bzw. akquirierten Tätigkeiten/Projekte.

• Der Mitarbeiter ist neben seinen primären Tätigkeiten beratend innerhalb der Abteilung und darüber hinaus tätig.

…”

Die Anlage 2 zur BV FGE-AT enthält ua. eine Darstellung der ATGehaltsbänder in den Altbundesländern bei einer Arbeitszeit von 36 Stunden pro Woche. Die Gehaltsspannen betragen für Mitarbeiter im Bereich AT-MA bis 9.000,00 DM, im Bereich AT-MB 9.000,00 DM bis 11.500,00 DM und im Bereich AT-MC 10.500,00 DM bis 13.500,00 DM.

Ebenfalls am 4. Dezember 1997 schlossen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat eine Zusatzvereinbarung zur Betriebsvereinbarung über Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen, Gehaltsbänder und Eingruppierung für außertarifliche Mitarbeiter. In dieser heißt es ua.:

“1. Es wird vereinbart, bis spätestens zum 31.03.1998 die bisherigen Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen entsprechend der Anlage zur Betriebsvereinbarung “Freiwilliger Interessenausgleich” vom 07.05.1996 zu überarbeiten mit dem Ziel, sie dem Firmenziel und der -strategie und den Aufgaben der Funktionsbereiche anzupassen und um die erforderliche Differenzierung für Ein- und Umgruppierungen zu erreichen. Dabei ist auch insbesondere dem neugeschaffenen Übergangsbereich AT-MA Rechnung zu tragen. …”

Die in der Zusatzvereinbarung vorgesehene Überarbeitung der Funktions- und Tätigkeitsbeschreibungen erfolgte nicht.

Am 23. August 2001 teilte die Arbeitgeberin dem für die Betriebsstätte O.… gebildeten Betriebsrat Folgendes mit:

“Wechsel vom Tarif- in den AT-Bereich

Sehr geehrter Herr M.…,

vorbehaltlich einer endgültigen Klärung des Mitbestimmungsrechtes des BR beim Wechsel vom Tarif- in den AT-Bereich informieren wir Sie der guten Ordnung halber darüber, dass nachstehend aufgeführte Mitarbeiter rückwirkend zum 01.07.2001 von T VII/4 nach AT MB aufgrund individueller Erhöhung ihrer Bezüge kommen sollen. Entsprechende Verträge wurden ausgestellt.”

Die beiden Buchstaben “MB” waren handschriftlich gestrichen. Aufgeführt waren in dem Schreiben die Mitarbeiter Dr. Ma.…, B.…, Dr. E.… und P.… S.… Als “Eingruppierung alt” war T VII/4 genannt; als “Eingruppierung neu” AT MB. Dabei waren auch hier die Buchstaben “MB” handschriftlich gestrichen.

Mit Schreiben vom 28. August 2001 rügte der Betriebsrat unter Bezugnahme auf das Schreiben der Arbeitgeberin vom 23. August 2001, dass diese vermehrt unter Missachtung seines Mitbestimmungsrechts und der BV FGE-AT rückwirkende Umgruppierungen vom tariflichen in den AT-Bereich vornehme.

Die BV FGE-AT wurde zum 31. Dezember 2001 gekündigt. Über ihre Nachwirkung stritten die Betriebsparteien in einem Beschlussverfahren. In einem darin am 15. März 2004 vom Landesarbeitsgericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich verpflichtete sich die Arbeitgeberin, bis zum 30. April 2004 einen Vorschlag für eine neue Betriebsvereinbarung zu unterbreiten; falls es bis zum 30. September 2004 zu keiner Einigung komme, solle jede Seite berechtigt sein, eine Einigungsstelle anzurufen. Nach den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligtenvertreter in der mündlichen Anhörung vor dem Senat ist eine neue Betriebsvereinbarung noch nicht geschlossen worden.

Der Betriebsrat hat im vorliegenden Verfahren die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe ihn bei ihrer Entscheidung, die im Schreiben vom 23. August 2001 genannten Mitarbeiter in den außertariflichen Bereich einzuordnen, gemäß § 99 BetrVG beteiligen müssen. Es handele sich dabei um mitbestimmungspflichtige Umgruppierungen. Für außertarifliche Mitarbeiter gelte nach wie vor die BV FGE-AT.

Der Betriebsrat hat – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung – zuletzt beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, bezüglich der Eingruppierung der Betriebsangehörigen Dr. Ma.…, Dr. E.… und P.… S.… seine Zustimmung zur Umgruppierung aus dem tariflichen in den außertariflichen Bereich einzuholen und im Zustimmungsverweigerungsfall das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe beim Wechsel der Mitarbeiter Dr. Ma.…, Dr. E.… und S.… vom Tarif- in den AT-Bereich kein Mitbestimmungsrecht. Sie habe die drei Mitarbeiter nicht umgruppiert, sondern mit ihnen individuelle Gehaltsvereinbarungen geschlossen. Im Übrigen stelle die BV FGE-AT keine Vergütungsordnung dar, in die eine Eingruppierung erfolgen könnte. Da es bis zum 31. März 1998 nicht zu der in der Zusatzvereinbarung vom 4. Dezember 1997 vorgesehenen Überarbeitung der Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen gekommen sei, fehle es seitdem an konkreten Tätigkeitsmerkmalen, auf Grund derer AT-Angestellte einer bestimmten Gehaltsgruppe der Betriebsvereinbarung zugeordnet werden könnten.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Betriebsrat bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde; er hat seinen Antrag dabei in der Anhörung vor dem Senat dahingehend erweitert,

der Antragsgegnerin aufzugeben, die Mitarbeiter Dr. Ma.…, Dr. E.… und P.… S.… in die Vergütungsordnung der Betriebsvereinbarung über Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen, Gehaltsbänder und Eingruppierung für außertarifliche Mitarbeiter vom 4. Dezember 1997 umzugruppieren, seine Zustimmung hierzu einzuholen und im Zustimmungsverweigerungsfall das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten.

Die Arbeitgeberin hat gegen die Antragserweiterung keine Einwendungen erhoben.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Antrag des Betriebsrats ist in der zuletzt gestellten Fassung zulässig und begründet. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, eine Beurteilung der Zuordnung der Mitarbeiter Dr. Ma.…, Dr. E.… und S.… zu der für sie maßgeblichen Gehaltsgruppe vorzunehmen, die Zustimmung des Betriebsrats hierzu einzuholen und im Falle der Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Die BV FGE-AT stellt eine Vergütungsordnung dar, in welche eine Eingruppierung der Angestellten zu erfolgen hat, die nach § 1 Nr. 3 Abs. 2 lit. d MTV nicht mehr dem Tarifbereich zuzuordnen sind, da ihr Gehalt auf außertariflicher Grundlage um 25 % über den Rahmen des höchsten Tarifsatzes der Gruppe VII hinausgeht.

  • Der Antrag ist zulässig.

    1. Seiner Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass er in der erweiterten Fassung erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt wurde.

    a) Allerdings sind Antragserweiterungen ebenso wie sonstige Antragsänderungen im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa BAG 27. Januar 1998 – 1 ABR 38/97 –, zu B II 2 der Gründe mwN; Germelmann/ Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 94 Rn. 13; GK-ArbGG/Dörner § 94 Rn. 18). Eine Ausnahme hat das Bundesarbeitsgericht aber aus prozessökonomischen Gründen dann anerkannt, wenn der geänderte Sachantrag sich auf einen in der Beschwerdeinstanz festgestellten Sachverhalt stützen kann (vgl. BAG 5. November 1985 – 1 ABR 49/83 – BAGE 50, 85, 92 = AP BetrVG 1972 § 98 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 98 Nr. 2, zu B III der Gründe; 27. Januar 1998, aaO). Dies ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die anderen Verfahrensbeteiligten gegen die Antragsänderung oder -erweiterung keine Einwendungen erheben, ihre Verfahrensrechte – darunter vor allem dasjenige auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG – nicht verkürzt werden und die Antragsänderung darauf beruht, dass die Vorinstanzen einen nach § 139 Abs. 1 ZPO gebotenen Hinweis unterlassen haben. Jedenfalls in einem solchen Fall ist es aus prozessökonomischen Gründen angezeigt, den Beteiligten eine andernfalls erforderliche Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht oder gar eine erneute erstinstanzliche Anrufung der Gerichte für Arbeitssachen zu ersparen.

    b) Eine derartige Fallgestaltung liegt hier vor. Das Landesarbeitsgericht hat den Sachverhalt, der zur Beurteilung des nunmehr gestellten Antrags erforderlich ist, hinreichend festgestellt. Die Arbeitgeberin hat gegen die Antragserweiterung in der Anhörung vor dem Senat keine Einwendungen erhoben. Ihre Verfahrensrechte werden nicht verkürzt. Die Vorinstanzen haben den nach § 139 Abs. 1 ZPO gebotenen Hinweis darauf unterlassen, dass es bislang an einer vollständigen Umgruppierung der Mitarbeiter Dr. Ma.…, Dr. E.… und S.… fehlt – vgl. dazu unter B II 2 – und daher der isolierte Antrag, die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung einzuholen, nicht sachdienlich ist.

    2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein ihm entsprechender Tenor ist erforderlichenfalls gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1, 3 ArbGG iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Zwangsgeld vollstreckbar (vgl. auch BAG 23. September 2003 – 1 ABR 35/02 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 3, zu B I 1 der Gründe). Dabei hat der Senat den Antrag dahin verstanden, dass die von der Arbeitgeberin vorzunehmende Umgruppierungsbeurteilung, an welcher der Betriebsrat beteiligt werden will, ergebnisoffen ist, also nicht zwingend zu einer Eingruppierung in die außertarifliche Vergütungsordnung der BV FGE-AT führen muss, sondern bei etwaiger Nichteinhaltung des Abstandsgebotes des § 1 Nr. 3 Abs. 2 lit. d MTV auch die Zuordnung der drei betroffenen Mitarbeiter zur höchsten Tarifgruppe zur Folge haben kann. Der Senat hat dem zur Meidung von Missverständnissen bei der Neufassung der Beschlussformel dadurch Rechnung getragen, dass er die im Antrag enthaltenen Worte “in die Vergütungsordnung der Betriebsvereinbarung über Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen, Gehaltsbänder und Eingruppierung für außertarifliche Mitarbeiter vom 4. Dezember 1997” weggelassen hat.

    3. Neben der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat sind keine weiteren Personen zu beteiligen. Dies gilt insbesondere für die betroffenen Arbeitnehmer. Sie haben keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition, die durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren berührt sein könnte. Sie können erforderlichenfalls die Richtigkeit der Eingruppierung im Urteilsverfahren überprüfen lassen (vgl. etwa BAG 17. Mai 1983 – 1 ABR 5/80 – BAGE 42, 386, 390 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 36, zu B I der Gründe; 23. September 2003 – 1 ABR 35/02 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 1d der Gründe).

  • Der Antrag ist begründet. Der Betriebsrat verlangt von der Arbeitgeberin zu Recht die bislang nicht vollständig vorgenommene Umgruppierungsbeurteilung der Mitarbeiter Dr. Ma.…, Dr. E.… und S.… und seine Beteiligung hieran.

    1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Betriebsrat in Fällen, in denen der Arbeitgeber eine Ein- oder Umgruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht zu haben, die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, gemäß § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen (vgl. BAG 31. Mai 1983 – 1 ABR 57/80 – BAGE 43, 35, 45 = AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 27 = EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 36, zu B II 1b bb der Gründe; 9. Februar 1993 – 1 ABR 51/92 – BAGE 72, 187, 192 f. = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 103 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 111, zu B II 2 der Gründe mwN). Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung vorgenommen hat (BAG 23. September 2003 – 1 ABR 35/02 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2 der Gründe). Fehlt es bereits hieran, kann und muss der Betriebsrat zur Sicherung seiner Mitbestimmungsrechte verlangen, dem Arbeitgeber zunächst die Ein- oder Umgruppierung in die maßgebliche Vergütungsordnung aufzugeben und ihn sodann zur Einholung seiner – des Betriebsrats – Zustimmung sowie bei deren Verweigerung zur Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu verpflichten (BAG 20. Dezember 1988 – 1 ABR 68/87 – BAGE 60, 330, 343 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 62 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 70, zu B III 2d der Gründe; 12. August 1997 – 1 ABR 13/97 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 1, zu B II 2b bb der Gründe; 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20, zu B I der Gründe; 23. September 2003 aaO, zu B II 2a der Gründe). Voraussetzung hierfür ist eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Ein- oder Umgruppierung. Diese kann sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst, aus der betriebsverfassungsrechtlichen Norm eines Tarifvertrags oder aus einer Betriebsvereinbarung ergeben (BAG 18. Juni 1991 – 1 ABR 53/90 – BAGE 68, 104, 1001 f. = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 105 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 100, zu B II 2b der Gründe).

    2. Im Streitfall ist bislang keine – vollständige – Umgruppierung der Mitarbeiter Dr. Ma.…, Dr. E.… und S.… erfolgt. Die Arbeitgeberin hat diese Mitarbeiter zwar aus der tariflichen Vergütungsordnung “ausgruppiert”, sie aber nicht in die außertarifliche Vergütungsordnung eingruppiert.

    a) Umgruppierung iSv. § 95 Abs. 1, § 99 Abs. 1 BetrVG ist die Neueinreihung des Beschäftigten in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie besteht in der Feststellung, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, in die er bisher eingruppiert ist, sondern denen einer anderen (BAG 10. Dezember 2002 – 1 ABR 27/01 – BAGE 104, 187, 199 = AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 42 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 1, zu B III 3c cc (1) der Gründe mwN; 22. Januar 2003 – 4 ABR 18/02 –, zu B II 1 der Gründe; 13. Februar 2003 – 8 ABR 53/01 – EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 54, zu II 2a der Gründe). Eine Umgruppierung findet nicht nur statt, wenn dem Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit zugewiesen wird, die den Tätigkeitsmerkmalen einer anderen Vergütungsgruppe entspricht, sondern auch, wenn sich bei gleichbleibender Tätigkeit des Arbeitnehmers die Vergütungsordnung ändert (BAG 10. Dezember 2002 aaO; 27. Juli 1993 – 1 ABR 11/93 – BAGE 74, 10, 16 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 110 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 116, zu B II 1 der Gründe). Eine Umgruppierung kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber auf Grund einer Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, der Arbeitnehmer sei nicht mehr in eine der Gehaltsgruppen der maßgeblichen Vergütungsordnung einzugruppieren, weil die vorgesehene Tätigkeit höherwertige Qualifikationsmerkmale als die höchste Vergütungsgruppe aufweist. Die Richtigkeit dieser Beurteilung unterliegt ebenfalls dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (BAG 31. Oktober 1995 – 1 ABR 5/95 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 131, zu B I 2a der Gründe; 23. September 2003 – 1 ABR 35/02 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2a der Gründe; 26. November 2003 – 4 ABR 54/02 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 186 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 128, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 1 der Gründe). Ob in der Beurteilung des Arbeitgebers, ein Arbeitnehmer sei nicht mehr der tariflichen Vergütungsordnung zuzuordnen, eine vollständige Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt, hängt davon ab, ob außerhalb der bisher maßgeblichen tariflichen Vergütungsordnung, aus welcher der Arbeitnehmer “ausgruppiert” werden soll, ein weiteres gestuftes betriebliches Vergütungssystem vorhanden ist, in welches eine Eingruppierung erfolgen kann und muss.

    aa) Gibt es außerhalb der zuvor maßgeblichen Vergütungsordnung nur insgesamt einen nicht weiter differenzierten außertariflichen Bereich, erschöpft sich die mitzubeurteilende Maßnahme in der “Ausgruppierung”, dh. in der Beurteilung, für den Arbeitnehmer sei nicht mehr die bisherige Vergütungsgruppe einschlägig, sondern er falle nun in diesen einheitlichen außerhalb der bisherigen Ordnung liegenden außertariflichen Bereich. In diesem Fall handelt es sich um eine vollständige Umgruppierung. Der Betriebsrat kann die Einholung seiner Zustimmung hierzu verlangen.

    bb) Existiert dagegen außerhalb der bisherigen tariflichen Vergütungsordnung eine weitere gestufte Vergütungsordnung, muss über die “Ausgruppierung” hinaus eine Eingruppierung in das neue System erfolgen. Solange dies nicht geschieht, ist die Umgruppierung unvollständig. Mitbestimmungsrechtlich handelt es sich um eine notwendig einheitlich vorzunehmende Maßnahme. Das Mitbestimmungsverfahren ist bei einer Umgruppierung ebenso wie bei einer Eingruppierung ein einheitliches Verfahren, das die Umgruppierung in all ihren Teilen erfasst. Es kann daher nicht auf einzelne Teile oder Abschnitte der Umgruppierung beschränkt werden (vgl. zur Eingruppierung BAG 27. Juni 2000 – 1 ABR 36/99 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 3, zu B I 2 der Gründe; vgl. auch 6. August 2002 – 1 ABR 49/01 – BAGE 102, 135, 141 = AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 27 = EzA BetrVG 1972 § 99 Umgruppierung Nr. 2, zu B II 1c der Gründe). Daher hat der Betriebsrat bei Bestehen einer außertariflichen differenzierten Vergütungsordnung keinen isolierten Anspruch auf Beteiligung an der “Ausgruppierung” aus der tariflichen Vergütungsordnung. Er kann und muss vom Arbeitgeber vielmehr die einheitlich vorzunehmende Umgruppierung von der einen in die andere Vergütungsordnung und seine Beteiligung hieran verlangen.

    b) Im Streitfall liegt keine vollständige Umgruppierung vor. Die Arbeitgeberin hat die Mitarbeiter Dr. Ma.…, Dr. E.… und S.… zwar aus der tariflichen Vergütungsordnung “ausgruppiert”, sie aber nicht in die maßgebliche außertarifliche betriebliche Vergütungsordnung eingruppiert.

    aa) Die Arbeitgeberin hat ausweislich ihres Schreibens vom 23. August 2001 eine “Ausgruppierung” der darin aufgeführten Mitarbeiter aus der tariflichen Vergütungsordnung durchgeführt. Sie hat die Beurteilung vorgenommen, die betroffenen Mitarbeiter seien auf Grund der mit ihnen getroffenen Gehaltsabsprachen nicht mehr dem tariflichen, sondern dem außertariflichen Bereich zugeordnet.

    bb) Die Arbeitgeberin hat jedoch eine Eingruppierung dieser Mitarbeiter in die außertarifliche Vergütungsordnung bislang unterlassen. Eine Eingruppierung läge vor, wenn die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer den in Nr. 4.3.1 BV FGE-AT genannten Gruppen AT-MA, AT-MB oder AT-MC zugeordnet hätte. Dies hat sie jedoch nicht getan. Sie hat im Schreiben vom 23. August 2001 vielmehr die Buchstaben “MB” gestrichen und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Zuordnung zu den Gruppen ATMA, AT-MB oder AT-MC gerade nicht vornehmen will.

    cc) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin handelt es sich bei der BV FGEAT um eine gestufte betriebliche Vergütungsordnung, in die eine Eingruppierung der aus dem tariflichen Vergütungssystem herausgewachsenen Angestellten vorgenommen werden muss.

    (1) Eine die Eingruppierung von Arbeitnehmern erfordernde Vergütungsordnung ist ein kollektives, mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes Entgeltschema, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer nach bestimmten, generell beschriebenen Merkmalen vorsieht. Meist erfolgt die Zuordnung nach bestimmten Tätigkeitsmerkmalen, bisweilen aber auch nach anderen Kriterien, wie etwa dem Lebensalter oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit (vgl. BAG 23. September 2003 – 1 ABR 35/02 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2a der Gründe mwN). Dabei sind die den Vergütungsgruppen zugeordneten Merkmale oft sehr allgemein gehalten. Häufig werden unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, deren Anwendung im Einzelfall schwierig sein kann und die einen erheblichen Beurteilungsspielraum eröffnen (vgl. BAG 22. März 1983 – 1 ABR 49/81 – BAGE 42, 121, 127 = AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 101 Nr. 5, zu B II 1 der Gründe; 28. Januar 1986 – 1 ABR 8/84 – BAGE 51, 34, 38 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 32 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 47, zu B 1b der Gründe). Gerade auch in diesen Fällen soll die in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgeschriebene Mitbeurteilung des Betriebsrats eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Eingruppierung bieten (BAG 22. März 1983 aaO; 28. Januar 1986 aaO). Dabei kommt es auf den Geltungsgrund des Entgeltschemas nicht an. Es ist daher unerheblich, ob sich die Lohn- und Gehaltsgruppenmerkmale aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer einseitig vom Arbeitgeber gesetzten Lohn- und Gehaltsordnung ergeben (BAG 28. Januar 1986 aaO).

    (2) Die BV FGE-AT stellt eine solche Vergütungsordnung dar.

    (a) Nr. 4.3.1 BV FGE-AT sieht für die AT-Mitarbeiter im Regionalbereich I, also in den alten Bundesländern, die Gruppen AT-MA, AT-MB und AT-MC vor. Diesen Gruppen sind durch die in Nr. 3 BV FGE-AT in Bezug genommene Anlage 2 bestimmte Gehaltsbänder zugewiesen. Für die Zuordnung der AT-Mitarbeiter zu den Gruppen ATMA, AT-MB und AT-MC verweist Nr. 4.1 BV FGE-AT auf die in der Anlage 1 enthaltenen “Funktions-/Tätigkeitsbeschreibungen und Anforderungen an die Berufserfahrung”. Diese Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibungen sind zwar recht allgemein gehalten und enthalten ersichtlich Beurteilungsspielräume. Gleichwohl sehen sie erkennbar Gruppen unterschiedlicher Wertigkeit vor. So bearbeitet der Mitarbeiter der Gruppe ATMA in der Regel “größere Aufgabengebiete bzw. Projekte”, derjenige der Gruppe ATMB “größere komplexere Aufgabengebiete bzw. Projekte, deren Lösung umfangreiches Fachwissen und Erfahrung voraussetzt”, und einem Mitarbeiter der Gruppe AT-MC müssen Aufgaben zugewiesen sein, deren Lösung darüber hinaus noch “Expertenwissen” voraussetzt. Außerdem wird bei Mitarbeitern der Gruppen AT-MB und ATMC anders als bei denjenigen der Gruppe AT-MA ausdrücklich die “selbständige” Durchführung der Projekte verlangt. Bei Mitarbeitern der Gruppe AT-MC kommt darüber hinaus beratende Tätigkeit innerhalb und außerhalb der Abteilung hinzu. Eine Bestimmung über die Umgruppierung von AT-MA nach AT-MB enthält ferner Nr. 6.1 BV FGE-AT.

    (b) Die Eigenschaft eines kollektiven Entgeltschemas verliert die BV FGE-AT nicht etwa deshalb, weil ihre Anwendbarkeit eine Gehaltsvereinbarung zwischen der Arbeitgeberin und einzelnen Arbeitnehmern voraussetzt, durch welche die Grenze des § 1 Nr. 3 Abs. 2 lit. d MTV überschritten wird. Dabei kann dahin stehen, ob es sich bei derartigen Gehaltsvereinbarungen um rein individuelle, mitbestimmungsfreie Absprachen handelt oder ob ein kollektiver Bezug besteht, der geeignet wäre, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu begründen (vgl. dazu etwa BAG 18. Oktober 1994 – 1 ABR 17/94 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 70 = EzA BetrVG § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 47, zu B I 1 der Gründe mwN). Denn auch wenn die das Abstandsgebot des § 1 Nr. 3 Abs. 2 lit. d MTV erfüllenden Gehaltsvereinbarungen als solche nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterfallen sollten, so wird durch sie doch für die betroffenen Arbeitnehmer das außertarifliche betriebliche Vergütungssystem der BV FGE-AT maßgeblich.

    (c) Die Anwendbarkeit der BV FGE-AT entfiel entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht auf Grund der mit dem Gesamtbetriebsrat am 4. Dezember 1997 geschlossenen Zusatzvereinbarung, bis spätestens zum 31. März 1998 die bisherigen Funktions- und Tätigkeitsbeschreibungen zu überarbeiten. Dabei kann zu Gunsten der Arbeitgeberin unterstellt werden, dass in der Zusatzvereinbarung die übereinstimmende Einschätzung der Betriebsparteien zum Ausdruck kam, die Anlage 2 zur BV FGEAT sei überarbeitungsbedürftig. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass die Betriebsparteien vereinbart hätten, die bisherigen Funktions- und Tätigkeitsbeschreibungen sollten künftig auch ohne Abschluss einer sie ersetzenden Regelung nicht mehr zur Anwendung kommen.

    dd) Durch die Kündigung der BV FGE-AT zum 31. Dezember 2001 wurde deren Geltung nicht beendet. Sie gilt gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG über den 31. Dezember 2001 hinaus fort. Die Aufstellung eines betrieblichen Gehaltsgruppen-Systems für AT-Angestellte, die nicht leitende Angestellte sind, unterfällt nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats (vgl. BAG 28. September 1994 – 1 AZR 870/93 – BAGE 78, 74, 78 = AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 68 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 44, zu I 1 der Gründe). Nach § 87 Abs. 2 Satz 2 BetrVG handelt es sich daher um eine Angelegenheit, in der ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann.

    Auch nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sind ersichtlich keine Umstände eingetreten, die zur Beendigung der Nachwirkung geführt hätten. Eine andere Abmachung iSv. § 77 Abs. 6 BetrVG wurde nicht getroffen. Der am 15. März 2004 durch das Landesarbeitsgericht festgestellte Vergleich enthält keine Regelung über eine Beendigung der Nachwirkung.

    3. Da die Arbeitgeberin die Umgruppierungsbeurteilung bislang nicht vollständig durchgeführt hat, kann der Betriebsrat deren Vornahme verlangen. Die Arbeitgeberin ist bereits nach Nr. 4.2 BV FGE-AT betriebsverfassungsrechtlich hierzu verpflichtet. Sie hat mit den Mitarbeitern Dr. Ma.…, Dr. E.… und S.… Gehaltsvereinbarungen geschlossen, welche die Beurteilung erforderlich machen, ob diese Mitarbeiter nach § 1 Nr. 3 Abs. 2 lit. d MTV aus der tariflichen Vergütungsordnung herausgewachsen und in welche Gruppe der BV FGE-AT sie ggf. eingruppiert sind. Zu der von ihr vorzunehmenden Beurteilung hat sie sodann die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen und im Falle ordnungsgemäßer Verweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.

 

Unterschriften

Wißmann, Kreft, Linsenmaier, Federlin, Olaf Kunz

 

Fundstellen

BAGE 2006, 238

BB 2005, 500

DB 2005, 561

NWB 2005, 3891

EBE/BAG 2005, 1

FA 2005, 122

JR 2005, 396

NZA 2005, 367

SAE 2005, 253

AP, 0

EzA-SD 2005, 11

EzA

AUR 2005, 119

ArbRB 2005, 170

BAGReport 2005, 125

SPA 2005, 5

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