Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösung einer Anwaltssozietät und der Kanzlei. Abgrenzung Betriebsstilllegung. Betriebsübergang bzw. Teilbetriebsübergang

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein einzelner Rechtsanwalt, ggf. in Verbindung mit seinen Mandatskontakten, bildet keine abgrenzbare organisatorische Einheit. Löst sich eine Sozietät und deren Kanzlei auf, so könnte ein Teilbetriebsübergang allenfalls vorliegen, wenn ein bestimmter organisatorisch abgrenzbarer Teil der ursprünglichen Kanzlei unter Wahrung ihrer Identität übertragen wird.

2. Beim Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen. Hier stehen also beim Betriebsbegriff nicht so sehr die Räumlichkeiten der Kanzlei und die Einrichtung der Kanzlei im Vordergrund, sondern das Personal, mit dem die Dienstleistungen erbracht werden sowie die Arbeitsorganisation, innerhalb derer die Dienstleistung erbracht wird, aber auch der Mandantenstamm. Die wirtschaftliche Einheit ist also geprägt durch das gesamte Personal, das innerhalb der bestehenden Arbeitsorganisation und innerhalb der bestehenden Arbeitsbereiche und der vorhandenen Mandate anwaltliche Dienstleistungen erbringt.

 

Normenkette

BGB §§ 613a, 622 Abs. 2 Nr. 3; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 28.07.2005; Aktenzeichen 20 Ca 18294/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 28.7.2005 – 20 Ca 18294/04 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin, geboren am, war vom 1.1.1990 bis 31.3.1995 und dann wieder seit 15.7.1995 bei der Beklagten, die ihre Kanzlei in der N. in M. betrieben hat, als Rechtsanwaltsgehilfin gegen ein monatliches Bruttogehalt von zuletzt EUR 3.050,– beschäftigt. Die GbR bestand zuletzt bis 31.12.2004 aus sechs Gesellschaftern, nämlich den Rechtsanwälten B., S., Dr. B., Dr. M., Dr. H. und Dr. F.. Der weitere Gesellschafter Dr. R. ist zum Ende 2001 als Gesellschafter ausgeschieden. Neben den Gesellschaftern waren zuletzt in der Kanzlei sechs weitere Anwälte aktiv tätig, nämlich die Rechtsanwälte Dr. Z., Dr. K., Dr. F., W., F. und Dr. R. (als freier Mitarbeiter). Die Kanzlei in der N. wurde zum 31.12.2004 aufgegeben. Die Gesellschafter Dr. B., Dr. M. und Dr. F. haben zum 1.1.2005 die Anwaltskanzlei B. am L. in M. gegründet und beschäftigen dort auch die Rechtsanwälte Dr. K., Dr. F. und W.. Herr Rechtsanwalt B. hat eine eigene Kanzlei eröffnet, in der er Herrn Rechtsanwalt Dr. Z. beschäftigt. Die Rechtsanwälte S. und Dr. H. sind seit 1.1.2005 Partner in der Kanzlei W., B. und M.. Herr Rechtsanwalt F. ist in der Kanzlei B., B. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig. In der Kanzlei B.M. sind zwei der dreizehn ursprünglich bei der Beklagten beschäftigten Angestellten tätig, ferner zwei der drei Auszubildenden. Ein Teil der Bürogeräte der Beklagten ist auf die Kanzlei B.M. übergegangen. Die Mandate wurden nach Wunsch der Mandanten auf die einzelnen Rechtsanwälte verteilt.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 29.10.2004 zum 31.12.2004 gekündigt.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage zum Arbeitsgericht München geltend, diese Kündigung sei rechtsunwirksam, da sie wegen eines Betriebsüberganges ausgesprochen worden sei. Jedenfalls habe ein Teilbetriebsübergang auf die Kanzlei B.M. stattgefunden. Im Übrigen werde vermutet, dass eine Stilllegungsabsicht nicht bestanden habe, da der Betrieb fortgeführt werde. Jedenfalls könne die Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum 31.3.2005 auflösen, da das vorangegangene Beschäftigungsverhältnis bei der Berechnung der Kündigungsfrist zu berücksichtigen sei. Für die Beurteilung des Zusammenhanges zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen sei die Frist von vier Monaten des Beschäftigungsförderungsgesetzes heranzuziehen.

Das Arbeitsgericht München hat durch Endurteil vom 28.7.2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29.10.2004 erst zum 31.1.2005 aufgelöst wurde. Es hat zur Begründung ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass ein Betriebsübergang oder ein Teilbetriebsübergang stattgefunden habe. Die Übertragung eines Betriebsteiles setze voraus, dass bereits im früheren Betrieb ein Betriebsteil als organisatorisch abgrenzbare Einheit bestand, mit der innerhalb des Gesamtzweckes ein Teilzweck verfolgt wurde. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass bei der Beklagten ein organisatorisch abgrenzbarer Betriebsteil bestanden habe. Ein einzelner Rechtsanwalt, ggf. in Verbindung mit seinen Mandatskontakten, bilde keine abgrenzbare organisatorische Einheit. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Betrieb als solcher, wenn auch unter Einschränkungen, auf die Kanzlei B.M. übergegangen sei. Nach der Rechtsprechung des BAG und des EuGH setzte ein Betriebsübergang die Wahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff Einheit beziehe sich auf eine organisatorische Ges...

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