Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltssozietät

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Anwaltssozietät, betrieben in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, kann durch Gesellschafterbeschluss stillgelegt werden.

Ist der Arbeitsvertrag der Angestellten mit der Sozietät abgeschlossen worden, ist nicht jeder einzelne Rechtsanwalt mit seinen Mandanten und den Angestellten der Sozietät ein Teilbetrieb im Sinne von § 613 a BGB.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB §§ 613a, 705ff

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 09.03.2006; Aktenzeichen 35 Ca 18514/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.10.2008; Aktenzeichen 8 AZR 397/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin vom 11. April 2006 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 9. März 2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für die Klägerin wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin war auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 15. Mai 1985 (Blatt 3/4 der Akte) ab 1. September 1985 als Anwaltsfachangestellte in der Anwaltssozietät der Beklagten zu 1) bis 6), betrieben in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, mit einem Monatsgehalt von zuletzt EUR 3.700,– brutto beschäftigt gewesen. Diese Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestand bis 31. Dezember 2004 aus sechs Gesellschaftern, den Rechtsanwälten B., S., B., M., H. und F. Der weitere Gesellschafter R. war zum Ende 2001 als Gesellschafter ausgeschieden.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 (Blatt 5 der Akte), unterzeichnet von allen sechs Beklagten, haben diese der Klägerin eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 31. März 2005 ausgesprochen.

Die Klägerin bestreitet das Vorliegen betriebsbedingter Kündigungsgründe, insbesondere die behauptete Stilllegung der Kanzlei mit der ursprünglichen Geschäftsadresse in der … Vielmehr sei von den Sozien B., M. und F. der geplante Umzug in das neue Objekt am L (Anwaltskanzlei B.) realisiert worden unter Mitnahme ihres Mandantenstammes, der gesamten Büroeinrichtung und eines Teils der Mitarbeiter.

Die Klägerin sieht ihren bisherigen Arbeitsplatz als nicht weggefallen an und hat mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 18. November 2004 Kündigungsschutzklage erheben lassen, die vor dem angerufenen Arbeitsgericht München aber erfolglos geblieben ist. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 9. März 2006 wird Bezug genommen.

Mit der am 12. April 2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 4. April 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt die Klägerin ihr Kündigungsschutzbegehren weiter. Die Begründung dazu ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 28. Juni 2006 eingegangen. Darin wird die Ansicht des Erstgerichts zur Betriebsstilllegung der Anwaltskanzlei bekämpft und ausgeführt, die damalige Gesellschafterversammlung habe lediglich beschlossen, dass die bisherige BGB-Gesellschaft nicht mehr fortbesteht und die einzelnen Gesellschafter in jeweils neuen Konstellationen die bisherige berufliche Tätigkeit weiterführen. Die vom Erstgericht angenommene vollständige Betriebseinstellung/Stilllegung der Anwaltskanzlei sei weder standesrechtlich noch gesellschaftsrechtlich möglich. Dies findet man im Folgenden unter Bezugnahme auf das anwaltschaftliche Standesrecht, insbesondere auf die BRAO, dann auch im Einzelnen begründet.

Die Klägerin als gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte wird als „verlängerter Arm” der jeweiligen Anwälte bezeichnet. Da jeder einzelne Gesellschafter persönlich haftender Arbeitgeber gewesen war, leitet die Klägerin daraus deren Verpflichtung zur Bereitstellung eines Arbeitsplatzes ab. Die Beklagten zu 1) bis 6) hätten – unstreitig – ihre Zulassung nicht zurückgegeben und im Rahmen ihrer Anwaltstätigkeit weiterhin Bedarf an Fachangestellten. Im Rahmen des Auseinandergehens der ursprünglichen Sozietät seien die meisten Rechtsanwaltsfachangestellten gefragt worden, ob sie für B. tätig sein wollen. Bei den Anwälten der Beklagten zu 7) sei zum 1. April 2005 Frau K. neu eingestellt worden. Weiter habe die Kanzlei B. Anfang 2006 mit einer Stellenanzeige eine Rechtsanwaltsfachangestellte gesucht.

Bekämpft wird auch die Ansicht des Erstgerichts, dass mit Sozietätsauflösung der Betriebszweck vollständig entfallen sei. Dies könne schon aus standesrechtlichen Gründen nicht so gesehen werden. Jeder Anwalt sei für seinen Bereich eigenverantwortlich tätig und hafte hierfür auch. In gleicher Weise müsse er sich eigenverantwortlich für die von ihm eingesetzten Angestellten kümmern und dafür Sorge tragen, dass die Standesrichtlinien eingehalten sind. Daraus lässt die Klägerin ableiten, dass jeder ihrer Arbeitgeber in der aufgelösten Sozietät auch die Verpflichtung zu ihrer Beschäftigung habe. Diese Arbeitgeberfunktion ende erst, wenn ein Mitarbeiter, der ausgeschieden sei, gegenüber dem Gesellschafter endgültig die Erbringung der Arbeitsleistung verweigere. Davon könne im Streitfall aber nicht ausgegangen werden,...

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