Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenz. Masseverbindlichkeit. Retention. Payment. Incentive-Bonus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Schadensersatzanspruch wegen Unterlassung der Vereinbarung von Zielen für einen „Incentive-Bonus” ist wie dieser selbst Arbeitsentgelt und daher einfache Insolvenzforderung, wenn er den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung betrifft (a.A. LAG München vom 30.06.2011 – 3 Sa 85/11).

2. Ein Anspruch auf Zahlung einer „Rentention-Prämie” besteht nicht, wenn der Arbeitnehmer vor den festgelegten Auszahlungszeitpunkten sein Arbeitsverhältnis kündigt. Dies gilt auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet war und der Insolvenzverwalter selbst das Arbeitsverhältnis – allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt – gekündigt hatte.

 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2, §§ 105, 108, 133-134; BGB § 611 Abs. 1, § 241 Abs. 1 S. 2, §§ 363, 280, 283, 252

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 08.12.2010; Aktenzeichen 37 Ca 6586/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.11.2012; Aktenzeichen 10 AZR 3/12)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom08.12.2010 (Az.: 37 Ca 6586/09) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Bezahlung eines Betrages von zuletzt EUR 70.700,00, den der Kläger in Höhe von EUR 55.300,00 als sog. „Retention-Bonus” und in Höhe von EUR 15.400,00 als „Incentive-Bonus” gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter als Masseschuld geltend macht.

Der 1971 geborene Kläger war seit 01.07.2007 bei der später in Insolvenz gefallenen Firma D. AG als „Head of Marketing for Product Line Server” beschäftigt. Rechtsgrundlage dafür war ein zwischen den Parteien geschlossener Arbeitsvertrag vom 13.04. / 13.06.2007 (Bl. 7 – 11 und Bl. 14 d. A.), in dem es unter anderem wie folgt heißt:

2. Stellung im Unternehmen

Der Mitarbeiter ist leitender Angestellter von D. Er ist im Rahmen der jeweils geltenden Regelungen (z. B. Budget, Unterschriftenregelung) zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern berechtigt, die ihm in seiner Stellung als Führungskraft direkt zugeordnet sind.

5. Vergütung

Das Jahreszieleinkommen des Mitarbeiters beträgt

EUR 111.400,00 brutto.

Es setzt sich zusammen aus

a) einem festen Jahresgehalt in Höhe von

EUR 86.400,00 brutto,

das in zwölf gleichen Raten jeweils zum Monatsende ausgezahlt wird,

und

b) einem jährlichen Bonus bei Erreichen festgelegter Ziele.

Der individuelle Zielbetrag für den Bonus beträgt für ein volles Geschäftsjahr (01.10. bis 30.09.) bei 100 % Zielerreichung

EUR 25.000,00 brutto.

12. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Der Vertrag kann beiderseits unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden, es sei denn, dass gesetzliche Bestimmungen eine andere Kündigungsfrist unabdingbar vorschreiben.

Für die Berechnung der Kündigungsfristen werden die vom Mitarbeiter bei der Infineon Technologies AG verbrachten bzw. anerkannten Dienstzeiten berücksichtigt.

Die Beträge gemäß Ziffer 5 des Vertrages wurden im Jahr 2008 auf EUR 118.400,00 (erster Absatz), EUR 87.600,00 (Ziffer a)) und EUR 30.800,00 (Ziffer b)) erhöht. Zudem erhielt der Kläger einen monatlichen Wohnungszuschuss von EUR 613,55.

Am 16.10.1998 richtete die D. AG ein Schreiben an den Kläger (Bl. 13 und Bl. 15 d. A.), in dem es wie folgt heißt:

Wir freuen uns, dass wir ihnen zum 31.01.2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

EUR 27.600,00 brutto

und zum 31.05.2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

EUR 27.600,00 brutto

sowie zum 30.09.2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

EUR 27.700,00 brutto

zusagen können. Die Auszahlung des jeweiligen Betrages setzt voraus, dass die zu dem jeweiligen Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis mit der D. AG nicht von sich aus gekündigt haben. Die Auszahlung erfolgt mit der jeweils nächsten Gehaltsabrechnung.

Wir bestätigen Ihnen, dass die zugesagten Retention-Zahlungen zu 100 % auch im Falle einer einseitigen Kündigung durch Ihren Arbeitgeber oder durch eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung Ihres Arbeitsvertrages ausbezahlt werden. Die Auszahlung findet in diesem Fall mit Wirksamwerden der Kündigung bzw. des Auflösungsvertrages statt. Regelungsabsprachen für einen Auflösungsvertrag bleiben davon unberührt.

An dieser Stelle möchten wir uns für die bisher erbrachte Leistung sehr herzlich bei Ihnen bedanken!

Wir setzen auch in Zukunft auf Ihre Unterstützung und Ihr Engagement, um unser Ziel zu erreichen, D. dauerhaft am Markt zu etablieren.

Mit Beschluss des Amtsgerichts E-Stadt – Insolvenzgericht – vom 23.01.2009 (Bl. 61 – 61 a d. A.) wurde für die D. AG eine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Es wurde gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

Mit Beschluss vom 01.04.2009 (Bl. 62 – 64 d. A.) wurde ab d...

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