Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine Zahlungsklage bei Anspruchsbegründung vor Insolvenzeröffnung. Anspruch auf eine Bleibeprämie des Arbeitnehmers bei Insolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Setzt eine Bleibeprämie die Unterlassung einer Kündigung durch den Arbeitnehmer bis zu einem bestimmten Stichtag voraus, ist dessen Verpflichtung mit Fristablauf erfüllt. Wird ein Insolvenzverfahren nach diesem Zeitpunkt eröffnet, ist der Anspruch auf Bezahlung der Prämie keine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

2. Eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO setzt wie eine solche nach § 55 Abs. 2 S. 1 InsO eine Handlung durch einen starken” vorläufigen Insolvenzverwalter voraus.

 

Normenkette

InsO §§ 38, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Abs. 2 S. 2, § 108 Abs. 1, § 174; BGB § 241 Abs. 1 S. 2, § 362 Abs. 1, § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 18.01.2011; Aktenzeichen 35 Ca 16952/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.09.2013; Aktenzeichen 6 AZR 953/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 18.01.2011 (Az.: 35 Ca 16952/09) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Bezahlung eines Betrages von EUR 19.650,–, den der Kläger als von seinem in Insolvenz geratenen Arbeitgeber zugesagten Sonderbonus von dem beklagten Insolvenzverwalter verlangt.

Der 1968 geborene, verheiratete Kläger war seit März 1996 zunächst bei der Firma D. AG als Pressereferent beschäftigt. Rechtsgrundlage dafür war ein Einstellungsschreiben der Firma D. vom 19.03.1997 (Bl. 12 – 14 d. A.).

Ab 01.04.2001 wurde das Arbeitsverhältnis von der Firma I. AG übernommen und der Kläger als Senior Media Relations Manager eingesetzt. Zum 01.05.2006 ging das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf die J. AG über. Der Kläger war ausschließlich für Pressearbeit zuständig. Sein Aufgabengebiet umfasste folgende Tätigkeiten:

  • Ausarbeitung und Weitergabe von PR-Inhalten an lokale, nationale und internationale Presse,
  • Planung und Durchführung von Pressekonferenzen, Gesprächen und Interviews mit vielen Schlüsselmedien,
  • Steuerung und Koordination der globalen Pressearbeit einschließlich der regionalen Medienarbeit in Europa, Asien und den USA sowie Beratung und Abstimmung mit internen und externen Stakeholdern,
  • Aufbau und Pflege eines umfassenden Journalisten-Netzwerks national und international.

Der Kläger erzielte zuletzt ein regelmäßiges monatliches Bruttogehalt von EUR 6.550,00.

Darüber hinaus erhielt der Kläger jährliche Bonuszahlungen in unterschiedlicher Höhe.

Am 21.10.1998 richtete die J. AG ein Schreiben an den Kläger (Bl. 23 d. A.), in dem es wie folgt heißt:

„Wir freuen uns, dass wir Ihnen zum 31. März 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von EUR 19.650,00 brutto zusagen können. Die Auszahlung des Betrages setzt voraus, dass sie zu diesem Zeitpunkt Ihr Arbeitsverhältnis mit der J. AG nicht von sich aus gekündigt haben.

Die Auszahlung erfolgt mit der nächsten Gehaltsabrechnung.

…”

Mit Beschluss des Amtsgerichts F-Stadt – Insolvenzgericht – vom 23.01.2009 (Bl. 57 – 58 d. A.) wurde für die Firma J. AG eine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Es wurde gemäß § 21 Abs. 1, 2 Nr. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

Mit Beschluss vom 01.04.2009 (Bl. 59 – 61 d. A.) wurde ab diesem Tag 09:00 Uhr das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am gleichen Tag kam zwischen dem Beklagten und dem bei der Schuldnerin errichteten Betriebsrat ein Interessenausgleich mit Namensliste zustande. Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.07.2009.

Am 08.06.2009 meldete der Kläger einen Anspruch auf Zahlung des Retention-Bonusses zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte hat die Forderung bestritten.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe ein Anspruch auf den ihm zugesagten Sonderbonus zu. Er habe alle Voraussetzungen dafür erfüllt und sein Arbeitsverhältnis nicht bis 31.03.2009 gekündigt. Die Zahlung sei nicht davon abhängig gewesen, dass die Schuldnerin ihren Geschäftsbetrieb fortführe und kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werde. Bei dem Bonus sei es nur darum gegangen, die Kernmannschaft des Unternehmens zusammen zu halten. Durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts sollte der Kläger auch noch am 31.03.2009 zur Verfügung stehen. Bei der Zahlung handele es sich auch um eine Masseverbindlichkeit des Beklagten. Der Kläger hätte noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts der Schuldnerin zur Verfügung stehen müssen, so dass die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfolgen hatte. Auch sei die Zusage der Zahlung nicht anfechtbar. Die Zusage sei weder durch die Schuldneri...

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