Entscheidungsstichwort (Thema)

Errichtung einer Einigungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei einer Wahlteilnahme der Belegschaft von qualifizierten Betriebsteilen i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (hier weit vom Hauptbetrieb entfernt) an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb wird der gesetzlich fingierte Betriebsbegriff nicht verändert. Die Prüfung der Betriebsänderung und einer Sozialplanpflicht bezieht sich allein auf die Größenordnung im gesetzlich fingierten Betrieb gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 4 Abs. 1, §§ 111-112

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 24.09.2010; Aktenzeichen 19 BV 353/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München – 19 BV 353/10 – vom 24.09.2010 abgeändert:

Es wird eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Aufstellung eines Sozialplans betreffend den Ausgleich bzw. Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile aus Anlass der geplanten Schließung der Geschäftsstelle Ma.” errichtet.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle zur Aufstellung eines Sozialplans für die Geschäftsstelle in Ma.

Antragsteller ist der im Hauptbetrieb in Mü., in dem 890 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt werden, gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin betreibt ein Bankunternehmen und hierbei neben anderen Geschäftsstellen auch eine Geschäftsstelle in Ma., in der 16 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Diese in der Geschäftsstelle Ma. beschäftigten Arbeitnehmer haben bei der letzten Betriebsratswahl in einer Abstimmung gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschlossen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb in Mü. teilzunehmen.

Die Arbeitgeberin hat sich entschlossen, die Geschäftsstelle Ma. zu schließen. Verhandlungen über die Aufstellung eines Sozialplans wurden abgelehnt.

Daraufhin hat der Betriebsrat die Anrufung der Einigungsstelle beschlossen und nach einer Ablehnung das Bestellungsverfahren gem. § 98 ArbGG eingeleitet.

Erstinstanzlich haben sich die Beteiligten in einem Teilvergleich dahingehend geeinigt, dass für den Fall, dass dem Antrag des Betriebsrats entsprochen werde, die Vizepräsidentin des Arbeitsgerichts München als Einigungsstellenvorsitzende eingesetzt und die Zahl der Beisitzer auf jeweils drei pro Seite festgesetzt werde.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 24.09.2010, der den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 05.10.2010 zugestellt wurde, den Antrag auf Errichtung einer Einigungsstelle zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die beabsichtigte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei, da durch den Zuordnungsbeschluss der Arbeitnehmer der Geschäftsstelle Ma. die Stilllegung dieser Geschäftsstelle nicht erhebliche Teile der Belegschaft betreffe. Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen sowie der gestellten Anträge wird auf den erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen.

Mit seiner durch seine Verfahrensbevollmächtigten eingereichten Beschwerde vom 11.10.2010, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 12.10.2010, die zugleich begründet wurde, moniert der Betriebsrat, dass das Erstgericht die gesetzliche Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG außer Acht gelassen habe.

Das Betriebsverfassungsgesetz enthalte an keiner Stelle eine Bestimmung, wonach die gesetzliche Fiktion dann nicht greife, wenn die Belegschaft an der Wahl des Betriebsrats des Hauptbetriebs teilnehme. Es fehle insoweit eine den Bestimmungen des § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG vergleichbare Regelung.

Die vom Arbeitgeber zitierten Entscheidungen seien vom Sachverhalt nicht eindeutig mit der vorliegenden Sachkonstellation vergleichbar, sodass eine offensichtliche Unzuständigkeit der beabsichtigten Einigungsstelle nicht gegeben sei.

Formalrechtlich beanstandet der Betriebsrat, dass der erstinstanzliche Beschluss ausweislich des Sitzungsprotokolls über den Verkündungstermin vom 24.09.2010 die Anwesenheit zweier ehrenamtlicher Richter bekunde und damit eine gem. § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG vorgeschriebene Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden nicht erfolgt sei.

Der Betriebsrat stellt folgende Anträge:

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 24.09.2010, Az. 19 BV 353/10, wird aufgehoben.

II. Es wird eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Aufstellung eines Sozialplans betreffend den Ausgleich bzw. Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile aus Anlass der geplanten Schließung der Geschäftsstelle Ma.” errichtet.

Die Arbeitgeberin beantragt demgegenüber,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den erstinstanzlichen Entscheid für formal korrekt, da die mündliche Anhörung vom 16.09.2010 alleine durch den Vorsitzenden erfolgt und außerdem der Verstoß verspätet nach Ablauf der Zweiwochenfrist gerügt worden sei.

Die Arbeitgeberin verteidigt die ergangene Entscheidung auch inhaltlich, da zutreffend sei, dass mangels Existenz bzw. Wahl eines Betriebsrats für die Geschäftsstelle Ma. zu keinem Zeitpunkt eigenständ...

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