Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterrichtung des Betriebsrats über Bewerbungsgespräche. Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung eines Mitarbeiters bei unberechtigtem Verlangen des Betriebsrats nach Vorlage von Gesprächsnotizen der Arbeitgeberin zu den Bewerbungsgesprächen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Maßgabe des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit in § 2 BetrVG und des den Regelungen in § 80 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG zugrundeliegenden Rechtsgedankens soll der Betriebsrat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben den gleichen Kenntnisstand besitzen wie die Arbeitgeberin.

2. Zu den dem Betriebsrats im Rahmen der Mitbestimmung zu personellen Einzelmaßnahmen vorzulegenden Bewerbungsunterlagen gehören neben den von Bewerberinnen und Bewerbern selbst eingereichten auch solche Unterlagen, die von der Arbeitgeberin anlässlich der Bewerbung gefertigt werden; dazu zählen etwa Personalfragebögen, schriftliche Auskünfte von dritter Seite und Ergebnisse von Tests oder Einstellungsprüfungen.

3. Zu den Bewerbungsunterlagen in diesem Sinne gehört nicht notwendig jede Aufzeichnung, die sich die Arbeitgeberin etwa anlässlich eines Auswahlgesprächs als Kurznotiz macht; solche Aufzeichnungen sind jedoch wegen eines nicht auszuschließenden Einflusses auf die Auswahlentscheidung dann vorzulegen, wenn sie bis zum Abschluss des Auswahlverfahrens aufbewahrt werden.

4. Aufzeichnungen, die für die Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin ohne jegliche Bedeutung sind (wie etwa formlose und unstrukturierte Gesprächsnotizen) müssen dem Betriebsrat nicht vorgelegt werden.

5. Dienen Gesprächsnotizen vor allem einer Erinnerungsstütze, um entsprechende Inhalte besprechen und in das Antragsschreiben aufnehmen zu können, und wird im Rahmen des Antragsschreibens der hinreichende Kenntnisstand der Arbeitgeberin an den Betriebsrat weitergegeben, werden dem Betriebsrat im Rahmen des Antragsschreibens neben den erforderlichen vollständigen Bewerbungsunterlagen keine weitergehenden Kenntnisse der Arbeitgeberin vorenthalten sondern diese nur aus den Notizen in das Antragsschreiben selbst übernommen; insofern kommt es nicht darauf an, dass diese Notizen, die gegebenenfalls auch schwer leserlich sind, dem Betriebsrat nicht zur Verfügung gestellt werden, soweit deren Inhalt in das Anhörungsschreiben mit aufgenommen wurde.

 

Normenkette

BetrVG §§ 99-100, 2, 80 Abs. 2 Sätze 1-2, § 99 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 13.12.2012; Aktenzeichen 13 BV 295/12)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München - Az.: 13 BV 259/12 - vom 13.12.2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Versetzung des Mitarbeiters F. sowie über die Frage, ob die vorläufige Versetzung dieses Mitarbeiters aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Die Beteiligte zu 1) ist ein Unternehmen der B. Inc., einem der weltweit größten Distributoren für Komponenten der Elektroindustrie. Im Betrieb der Beteiligten zu 1) in A-Stadt werden Logistikservice- und Produktveredelungsdienstleistungen für die europäische Elektroindustrie erbracht. Die Beteiligte zu 1) beschäftigt in der Regel ca. 341 eigene Arbeitnehmer, sowie zusätzlich Leiharbeitnehmer.

Der Beteiligte zu 2) ist der bei der Beteiligten zu 1) gebildete Betriebsrat, bestehend aus 9 Mitgliedern.

Die Beteiligte zu 1) hat ein neues Lagergebäude errichtet, das vom bisherigen Lagergebäude ca. 100 m Luftlinie entfernt ist. Zur Vorbereitung des Umzuges in das neue Lagergebäude hatten die Betriebsparteien bereits im Jahr 2008 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen.

Im neuen Lagergebäude sind bereits Mitarbeiter der Beteiligten zu 1) beschäftigt.

Der Umzug in die neuen Räumlichkeiten ist zum Großteil ab dem Zeitraum Februar 2012 erfolgt und bisher auch noch nicht abgeschlossen.

Zum 30.04.2012 legte der bisherige Stelleninhaber der Stelle "Teamleader im Bereich Warenausgang" im Betriebsteil Lager seine Stelle nieder. Aufgabe dieses Teamleaders ist im Wesentlichen, den Supervisor bzw. stellvertretenden Supervisor Warenausgang bei der Koordination und Leitung der Mitarbeiter, beim Erreichen und Halten eines hohen Qualitätsstandards, bei der Produktivitätssteigerung, bei der Mitarbeitermotivation, bei der Umsetzung der Firmenziele, bei der Einhaltung von internen und externen Richtlinien, bei der Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen und bei der Bearbeitung von Kundenanfragen zu unterstützen. Zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen betrieblichen Ablaufs im Betriebsteil Lager und im Bereich Warenausgang schrieb die Beteiligte zu 1) am 17.04.2012 intern die Stelle des "Teamleaders Outbound" gemäß der Vorgaben der Betriebsvereinbarung "Auswahlrichtlinien für die Einstellung und Versetzung" vom 01.12.2005 aus. Diese Betriebsvereinbarung beinhaltet u. a. folgende Regelungen:

"§ 2 Auswahlrichtlinien für die Einstellung

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