Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretungszusatz "i. V." vor der Unterschrift des Zeugnisausstellers. Keine negative Aussage durch den Vertretungszusatz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber kann einen unternehmensangehörigen Vertreter als Erfüllungsgehilfen beauftragen, das Zeugnis in seinem Namen auszustellen. In einem solchen Fall sind das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichners anzugeben. Denn fachliche Kompetenz und Rang in der Hierarchie geben Aufschluss über die Kompetenz des Ausstellers. Ranghöhere Angestellte müssen deshalb ein Zeugnis unter Zusatz ihrer Vertretungsmacht (z.B. "i. A.", i. V.", "ppa.") unterzeichnen.

2. Der Vertretungszusatz "i. V." ist nicht distanzierend und in seiner Wirkung negativ. Eine Handlungsvollmacht ist neutral, eher positiv. Mit der Angabe dieses Vertretungsverhältnisses werden Person und Rang des Unterzeichnenden mitgeteilt. Ein rechtskonformes Verhalten kann durch einen Dritten normalerweise nicht negativ beurteilt werden.

 

Normenkette

HGB § 54; BGB § 362 Abs. 1; ZPO § 569 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 09.06.2021; Aktenzeichen 3 Ca 10638/20)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerin wegen dem Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 09.06.2021 - 3 Ca 10638/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.567,66 € festgelegt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Durch Beschluss des Arbeitsgerichts München gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 26.10.2020 - 3 Ca 10638/20 - ist die Vollstreckungsschuldnerin u. a. zur Erteilung eines sehr guten, wohlwollenden, qualifizierten Endzeugnisses "auf dem Briefkopf der Beklagten mit der Unterschrift Niederlassungsleitung der Beklagten, Herrn Z" verpflichtet (Ziff. 7.1). Dabei war die Vollstreckungsgläubigerin berechtigt, einen Entwurf des Zeugnisses vorzulegen, von dem die Vollstreckungsschuldnerin nur aus wichtigem Grund abweichen kann.

Mit E-Mail vom 12.01.2021 bat die Vollstreckungsgläubigerin unter Übersendung eines Zeugnisentwurfs um die Erstellung eines Endzeugnisses. Die Verfügungsschuldnerin fertigte daraufhin ein Endzeugnis, das unter Abweichung vom vorgelegten Entwurf den Vertretungszusatz "i. V." vor dem Namen des Z als Niederlassungsleiter der Niederlassung A-Stadt enthielt.

Daraufhin hat die Vollstreckungsgläubigerin mit Schriftsatz vom 06.05.2021 nach § 888 ZPO beantragt, die Unterschrift des Unterzeichners im Endzeugnis ohne den Zusatz "i. V." vorzunehmen. In Ziffer 7 des Vergleichs sei ein Vertretungszusatz nicht aufgeführt worden. Auch im Entwurf der Vollstreckungsgläubigerin sei ein solcher nicht enthalten. Ein wichtiger Grund für eine Abweichung bestehe nicht, vielmehr stelle die Unterzeichnung eines Zeugnisses eine "eigene Bewertung des Unterzeichners gegenüber der Gläubigerin dar". Ein Vertretungszusatz wirke distanzierend und sei negativ zu werten.

Die Verfügungsgläubigerin hat beantragt,

gegen den Schuldner zur Erzwingung der im vollstreckbaren Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 10.12.2020 (3 Ca 10638/20) niedergelegten Verpflichtungen gemäß Ziffer 7 (Erteilung eines sehr guten Endzeugnisses mit der Unterschrift des Herrn Z nach dem Entwurf der Klägerin (Anlage A1), von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen kann), die Unterschrift des Herrn Z ohne den Zusatz "i.V." ein Zwangsgeld bis zu € 5.567,66 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten festzusetzen.

Die Vollstreckungsschuldnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Ein hinreichender bestimmter Vollstreckungstitel liege nicht vor. Mit Blick auf das hiesige Verfahren werde aus dem Vergleichstext nicht in einer für die Zwangsvollstreckung erforderlichen Bestimmtheit deutlich, ob der Niederlassungsleiter das Endzeugnis der Schuldnerin ohne oder mit Vertretungszusatz unterzeichnen sollte. Darüber hinaus sei der Antrag unbegründet, weil die Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin erfüllt sei. Schuldner aus Ziff. 7 des Vergleichs sei die Verfügungsschuldnerin und nicht ihr Niederlassungsleiter, weshalb das schriftlich zu erteilende Zeugnis eine eigenhändige Unterschrift des Arbeitgebers oder seines Vertreters tragen müsse. Der Niederlassungsleiter sei nach seiner Handlungsvollmacht vom 05.04.2017 verpflichtet, seine Unterschrift unter der Firmenbezeichnung und den Zusatz "i.V." zu leisten. Damit bestehe ein wichtiger Grund für die Abweichung vom Zeugnisentwurf der Vollstreckungsgläubigerin. Es sei üblich, dass ein Zeugnis mit Vertretungszusätzen unterzeichnet werde, wobei es im vorliegenden Fall unstreitig sei, dass es sich dabei um einen gegenüber der Gläubigerin ranghöheren Vertreter der Schuldnerin handele. Es sei nicht zu erkennen, wieso der Vertretungszusatz "i. V." distanzierend und negativ zu werten sei.

Durch Beschluss vom 09.06.2021 - 3 Ca 10638/20 hat das Arbeitsgericht München den Zwangsvollstreckungsantrag der Vollstreckungsgläubigerin vom 06.0...

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