Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfolglose Anfechtung der Wahl eines einheitlichen Betriebsrats für die sechs Einzelhandelsfilialen und die Zentrale der Arbeitgeberin in München. im konkreten Fall: keine als selbstständige Betriebe anzusehenden Betriebsteile wegen räumlich weiter Entfernung von Hauptbetrieb i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG oder relativen Eigenständigkeit durch Aufgabenbereich und Organisation i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG. Gemeinsame Betriebsratswahl für sechs Einzelhandelsfilialen und die Zentrale der Arbeitgeberin in München. unbegründeter Anfechtungsantrag der Arbeitgeberin bei unsubstantiierten Darlegungen zum Vorhandensein selbstständiger Betriebe oder qualifizierter selbstständiger Betriebsteile

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Verkennung des Betriebsbegriffs kann in aller Regel nur eine Anfechtung der darauf beruhenden Betriebsratswahl und nicht bereits deren Nichtigkeit begründen.

2. Einzelne Filialen der Arbeitgeberin sowie deren Zentrale am gleichen Ort stellen keine als selbstständig anzusehende Betriebsteile im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar, wenn sie sich weder räumlich weit entfernt vom Hauptbetrieb befinden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG) noch über eine relative Eigenständigkeit verfügen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG) und sie deshalb (erst recht) nicht den Status eines jeweils eigenen Betriebs im Sinne des § 1 BetrVG haben.

 

Normenkette

BetrVG §§ 19, 1, 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 16.12.2010; Aktenzeichen 23 BV 246/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 16. Dezember 2010 - 23 BV 246/10 - wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1 ficht im vorliegenden Verfahren die erfolgte Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates für ihre sieben Filialen sowie ihre Zentrale in M. an.

Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1 betreibt eine deutschlandweit vertretene Handelskette für Biolebensmittelprodukte mit derzeit 24 Filialen und einer Zentrale an ihrem Hauptsitz in M., von der aus die wirtschaftliche Leitung der Arbeitgeberin ausgeübt wird. Sieben der Einzelhandelsfilialen der Arbeitgeberin befinden sich ebenfalls in M.. Wie bereits bei der vorausgegangenen Betriebsratswahl im Jahr 2007 fand am 20.05.2010 eine gemeinsame Wahl eines Betriebsrats für die sieben M. Filialen sowie die Zentrale der Arbeitgeberin statt. Das Wahlergebnis wurde vom Wahlvorstand mit Bekanntmachung vom 27.05.2010 (Anl. ASt 1, Bl. 61 d. A.) veröffentlicht. Mit Antrag vom 04.06.2010, am selben Tag beim Arbeitsgericht München eingegangen, focht die Arbeitgeberin diese Wahl insbesondere mit der Begründung an, dass ihre sieben Filialen sowie ihre Zentrale in M. jeweils eigene Betriebe, jedenfalls als selbstständige Betriebe anzusehende Betriebsteile im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und/oder Nr. 2 BetrVG darstellten Die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten würden direkt vor Ort in den jeweiligen Filialen durch die dortigen Marktleiter ausgeübt, wo auch die materielle Letztentscheidungsbefugnis liege, woran die jeweils durch die Zentrale erfolgende Unterschrift unter Kündigungen, Arbeitsverträge und Abmahnungen etc. nichts ändere. Jedenfalls wären - wenn die Zentrale als Hauptbetrieb im Sinne des § 4 Abs. 1 BetrVG eingeordnet würde - die einzelnen Filialen betriebsratsfähige Betriebsteile. Diese seien sowohl im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG relativ eigenständig als auch im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG räumlich weit von der Zentrale entfernt, da es hierbei weniger auf die absolute Entfernung als auf die Qualität der Verkehrsanbindung und die konkreten Betreuungsmöglichkeiten ankomme. Andernfalls würde es sich nur um einen bundesweit einheitlichen Betrieb aller Filialen und der Zentrale zusammen handeln können. Damit seien sowohl der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl 2010 falsch gebildet als auch der Betriebsbegriff verkannt worden, was beides aufgrund der dadurch erfolgten Beeinflussung des Wahlergebnisses den Anfechtungsantrag der Arbeitgeberin begründe.

Dem tritt der Betriebsrat im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, dass in der Zentrale der Arbeitgeberin nicht nur die wirtschaftliche Leitung des gesamten Unternehmens ausgeübt werde, sondern hier der komplette Einkauf für alle Filialen erledigt und die Art der Werbung, die Ladenausstattung sowie die Verbrauchsstoffe etc. entschieden würden. Die einzelnen Filial-/Marktleiter hätten lediglich sehr beschränkte personelle Kompetenzen und initiierten weder umzusetzende personelle Maßnahmen wie Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen - sondern beantragten solche lediglich beim zuständigen Bezirksleiter - noch erstellten sie die Betriebsanhörungen selbst, vielmehr mache Letzteres die Personalabteilung der Zentrale. Ein Marktleiter dürfe selbst nicht einmal ein Stellengesuch aufgeben...

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