Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsanspruch des Betriebsrats. elektronischer Zugriff auf Leistungsdaten der Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Betriebsrat steht weder nach § 15 TV Vertrieb Nr. 64 für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG noch nach § 80 Abs. 2 BetrVG ein elektronisches Zugangsrecht in Form eines lesenden Zugriffs auf die unmittelbaren Leistungsdaten der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu.

2. Ein Antrag auf Unterrichtung über Leistungsdaten von Arbeitnehmern in Textform entspricht jedenfalls dann nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat unstreitig Auskünfte erteilt, diese aber der Betriebsrat für unzureichend hält.

 

Normenkette

BetrVG § 80 Abs. 2; BGB § 242; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; Tarifvertrag Vertrieb Nr. 64 für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 28.05.2008; Aktenzeichen 37 BV 407/07)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 27.07.2010; Aktenzeichen 1 ABR 74/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 28.05.2008 (Az.: 37 Beklagtenvertreter 407/07) wird zurückgewiesen

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob der Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) verpflichtet ist, dem zu 1) beteiligten Betriebsrat einen lesenden Zugriff auf gespeicherte Leistungsdaten von Arbeitnehmern zu gewähren, hilfsweise auf Anforderung des Betriebsrats Unterrichtungen in Textform zur Verfügung zu stellen, hilfsweise Auskünfte zu erteilen.

Der Arbeitgeber ist das Unternehmen der … AG. Diese betreibt in München den Geschäftsbereich …, der nach einem Tarifvertrag gem. § 3 BetrVG zu einem Betrieb zusammengefasst ist. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist der hier errichtete Betriebsrat.

Seit 11.06.1999 gilt im Betrieb des Arbeitgebers ein zwischen diesem mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossener Tarifvertrag …, der hinsichtlich der Vergütung der Mitarbeiter neben einem Grundgehalt eine variable Vergütung vorsieht, deren Höhe vom Erreichen vereinbarter Ziele abhängt, zu deren Beurteilung der Arbeitgeber Leistungsdaten mit einem IT-System verarbeitet.

Im Betrieb gilt weiter eine Konzernbetriebsvereinbarung „Informationstechnologie des Konzerns … AG”, zuletzt in der Fassung vom 04.03./04.04.2005 (Bl. 57 bis 60 d. A.), die u. a. die Nutzung des IT-Systems „Computergestütztes Vertriebs- und Marketinginformationssystem (CAS)” im Konzern regelt. In dieser Konzernbetriebsvereinbarung ist u. a. folgendes bestimmt:

§ 4 Auswertungen

(1) Auswertungen erfolgen zur Erfüllung betrieblicher und tarifvertraglicher Belange. Darüber hinausgehende Auswertungen zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle finden weder innerhalb noch außerhalb des Systems statt.

(2) Systemseitige Aufzeichnungen und Auswertungen über Benutzeraktivitäten dürfen ausschließlich zu folgenden Zwecken benutzt werden:

§ 7 Rechte der Betriebsräte

(1) Die Betriebsräte haben Zugang zu den Aufzeichnungen und Auswertungen gem. § 4 Abs. 2 Ziffer a – c dieser Anlage. Über Auswertungen nach § 4 Abs. 2 Ziffer d werden die zuständigen Betriebsräte informiert; die Auswertungen werden ihnen auf Verlangen zur Verfügung gestellt.

(2) Die Betriebsräte haben das Recht der Einsichtnahme in die Protokolle über die Erteilung bzw. Veränderung von Zugriffsberechtigungen.

(3) Jeder „CAS” Nutzer kann zum Zwecke der Selbststeuerung die Daten seiner ihm zugeordneten Kunden einsehen und bei Bedarf dem zuständigen Betriebsrat zur Verfügung stellen.

(4) Die zuständigen Betriebsräte sind jederzeit berechtigt, sich an Beauftragte der Arbeitgeberseite zu wenden und sich von ihnen am System die Funktionen zeigen zu lassen, um die korrekte Einhaltung der Bestimmungen dieser Konzernbetriebsvereinbarung überprüfen zu können. Insbesondere kann der Konzernbetriebsrat einen Vertreter bestimmen, der die oben genannten Rechte wahrnimmt.

Am 19.12.2006 kam zwischen dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft ver.di eine „Materielle Einigung” zu den Tarifverhandlungen „Änderung des TV …” (Bl. 6 bis 16 d. A.) zustande, die u. a. folgende Bestimmungen enthält:

§ 7

Zielvereinbarung

(1) Die Ziele sind in einem Zielvereinbarungsgespräch zwischen direktem Vorgesetzten und Arbeitnehmer zu vereinbaren. Der Arbeitnehmer kann für das Zielvereinbarungsgespräch ein Mitglied des Betriebsrates hinzuziehen.

(4) Der für diese Organisationseinheit zuständige Betriebsrat erhält eine entsprechende Mitteilung über die Ziele dieser Organisationseinheit.

§ 8

Laufzeit der Zielvereinbarung

(1) Die Zielvereinbarung wird für ein Geschäftsjahr (Zielvereinbarungsperiode) abgeschlossen….

§ 10

Konfliktregelung für die Zielvereinbarung

(1) Wird in dem Zielvereinbarungsgespräch bzw. in einem Zeitraum von zwei Wochen nach dem Zielvereinbarungsgespräch keine Einigung erzielt, tritt eine Kommission auf örtlicher Ebene (…) nach unverzüglicher Anrufung durch den Personalbereich zusammen. …

Die Entscheidung der Kommission ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bindend. …

(2) Die Kommiss...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge