Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsbereitschaft als geringer zu vergütende Arbeitszeit. Vergütung von Bereitschaftsdiensten im Rettungsdienst. Recht der Parteien zum Aushandeln der Vergütung von Bereitschaftsdiensten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Arbeitsbereitschaft ist ebenso wie Bereitschaftsdienst eine vergütungspflichtige Arbeitsleistung im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB bzw. § 611a BGB.

2. Der Bereitschaftsdienst muss aber nicht wie Vollarbeit vergütet werden. Die Arbeitsvertragsparteien können für diese Sonderform der Arbeit ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vereinbaren.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1, § 611a Abs. 2, § 612 Abs. 1; ArbZG § 7 Abs. 8; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 24.07.2019; Aktenzeichen 11 Ca 458/18)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 24.07.2019 - 11 Ca 458/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung von Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst.

Der im April 1975 geborene Kläger war zunächst vom 01.08.1998 bis zum 31.12.2010 bei dem Beklagten beschäftigt. Nach einer Unterbrechung von eineinhalb Jahren trat er am 01.07.2012 erneut in die Dienste des Beklagten, wobei der damalige Beschäftigungsbeginn anerkannt wurde. Im Arbeitsvertrag vom 23.04.2012 vereinbarten die Parteien eine Tätigkeit als Rettungsassistent in Vollzeit. In der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag vom 23.04.2012 heißt es:

"...

Zwischen beiden Vertragspartnern wird im beiderseitigen Einvernehmen freiwillig folgendes Arbeitszeitmodell vereinbart.

I

Arbeitsbereitschaft

...

Im Rettungsdienstbereich Mecklenburgische Seenplatte e.V. beträgt die tatsächliche Einsatzzeit im Bereich der aktiven Rettung durch den Rettungswagen (RTW), im Bereich der aktiven Rettung durch das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) sowie im Bereich des Krankentransportes (KTW) höchstens 25 % der Arbeitszeit und somit wird die regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden auf 54 Stunden wöchentlich verlängert.

. Daraus ergibt sich bei einem 24 Stundendienst eine anrechenbare Arbeitszeit von 17,8 Stunden.

2. Bei einem 12 Stundendienst eine anrechenbare Arbeitszeit von 8,9 Stunden.

3. Bei einem 8 Stundendienst eine anrechenbare Arbeitszeit von 5,9 Stunden.

II

Regelmäßige Arbeitszeit

Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen.

III

Arbeitszeitkonto

Zeitguthaben sowie Zeitschulden werden in einem Jahresarbeitszeitkonto erfasst. Zeitguthaben werden laut Beschäftigungsvereinbarung vergütet und Zeitschulden werden zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres auf Null gestellt.

..."

Später übertrug der Beklagte dem Kläger die Tätigkeit eines Notfallsanitäters. Sein regelmäßiger Einsatzort ist die Rettungswache in W..

Mit dem Änderungsvertrag vom 02.02.2015 zum Arbeitsvertrag vom 23.04.2012 vereinbarten die Parteien rückwirkend zum 01.01.2015 folgende Vergütung:

"...

§ 4 Arbeitsentgelt/Zulagen/Zuschläge/Gratifikationen

1. Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.393,13 € (bezogen auf 40 Stunden) und wird in die Entgeltgruppe W-NFS 40/10 der Entgeltvereinbarung eingestuft.

2. Sofern der Arbeitnehmer eine "Freiwillige Arbeitszeitverlängerung" laut § 8 der Beschäftigungsvereinbarung in Form einer 54 Stundenwoche ausübt, erhält er ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.603,96 € (bezogen auf 54 Stunden) und wird in die Entgeltgruppe W-NFS-54/10 der Entgeltvereinbarung eingestuft.

3. Wird keine "Freiwillige Arbeitszeitverlängerung" laut § 8 der Beschäftigungsvereinbarung in Form einer 54 Stunden mehr durchgeführt, erhält der Arbeitnehmer automatisch wieder ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.393,13 € (bezogen auf 40 Stunden) ...

§ 9 Beschäftigungsvereinbarung

Grundlage des Arbeitsvertrages ist die Beschäftigungs- und Entgeltvereinbarung des DRK Kreisverbandes Mecklenburgische Seenplatte e.V. vom 26.09.2008 inklusive Änderungen vom Protokoll vom 08.12.2011, vom 31.01.2013 sowie vom 22.12.2014.

..."

Die in Bezug genommene Beschäftigungsvereinbarung ist eine Betriebsvereinbarung, die folgende Regelungen enthält:

"...

§ 7 Arbeitszeitregelungen

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollbeschäftigung beträgt 40 Stunden pro Woche ausschließlich der Pausen. ... Die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollbeschäftigten im Bereich des Rettungsdienstes beträgt 48 Stunden pro Woche und 12 Stunden als tägliche Arbeitszeit, ausschließlich der Pausen.

...

§ 8 Arbeitszeitmodelle / Freiwillige Arbeitszeitverlängerung

(1) Durch Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber können für jeden Geschäftsbereich unter Berücksichtigung seiner arbeitsspezifischen Abläufe Arbeitszeitmodelle geregelt werden, die mit ihrer Bestätigung die erfassten Arbeitsverhältnisse weiter ausgestalten.

(2) Die regelmäßige Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit nach § 7 Abs. 1 auf bis zu 54 Stunden bei einer täglichen Arbeitszeit von 24 Stunden innerhalb der genan...

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