Entscheidungsstichwort (Thema)

Bereitschaftsdienst. Rettungssanitäter

 

Leitsatz (amtlich)

Gestattet ein Tarifvertrag dem Arbeitgeber, neben der regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftsdienst anzuordnen, der nur zu einem Prozentsatz als Arbeitszeit gewertet wird, die durch Gewährung von Freizeit ausgeglichen werden kann, so umfasst dies nicht die Befugnis, Bereitschaftsdienst in einem solchen Umfang anzuordnen, dass dadurch die Vollarbeitszeit über einen Freizeitausgleich hinaus verkürzt wird und dadurch Zuschläge für Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit entfallen.

 

Normenkette

BGB § 615 S. 1; DRK-TV-O § 14 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 17.02.2011; Aktenzeichen 33 Ca 10061/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.12.2012; Aktenzeichen 5 AZR 918/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.02.2011 – 33 Ca 10061/10 – dahin geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 150,73 EUR brutto (einhundertfünfzig 73/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 91,44 EUR seit dem 11.07.2010 und auf 59,29 EUR seit dem 18.12.2010 zu zahlen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, in welchem zeitlichen Umfang von der Beklagten angeordneter Bereitschaftsdienst auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers zu berücksichtigen ist und ob ihm dafür Zuschläge zu zahlen sind.

Der Kläger trat am 1. Januar 1998 als Rettungssanitäter in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. In seinem Arbeitsvertrag (Ablichtung Bl. 41 – 44 d. A.) wurde unter Punkt 3 die Geltung der Arbeitsbedingungen des Deutschen Roten Kreuzes/Ost in der jeweils gültigen Fassung vereinbart.

§ 39 Abs. 2 DRK-Tarifvertrag Ost vom 1. Januar 1991 (DRK-TV-O) sah vor, dass für die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der dabei geleisteten Arbeit Zeitzuschläge nicht gezahlt würden. Gleichwohl zahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitkonto” vom 3. März 2006 (Ablichtung Bl. 46 und 47 d. A.) dem Kläger Zuschläge für alle während seiner 24-stündigen Schichten angefallene Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit. Außerdem schrieb sie seinem Arbeitszeitkonto jeweils volle 24 Stunden gut. Die Beklagte setzte diese Praxis nach dem am 1. Januar 2009 vollzogenen Betriebsübergang mit Rücksicht auf eine am 11. Oktober 2009 beschlossene Dienstvereinbarung zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit und zur Dienstplangestaltung im Rettungsdienst (Ablichtung Bl. 55 – 57 d. A.) nur noch bis zum 31. Dezember 2009 fort. Mit Schreiben vom 11. Januar 2010 teilte sie ihren Mitarbeitern mit, dass die regelmäßige Arbeitszeit für Vollbeschäftigte 40 Stunden wöchentlich betrage. Die Bewertung der 24-stündigen Schichten ändere sich dahin, dass die 8 Stunden von 7 – 15 Uhr als Vollarbeitszeit und die 16 Stunden von 15 – 7 Uhr als Bereitschaftsdienst berücksichtigt würden und die laut Wochenarbeitsplan anfallenden täglichen Arbeiten während der Vollarbeitszeit zu erledigen seien. Nach der Tätigkeitsanalyse für 2009 sei während der Bereitschaftszeiten eine Aktivzeit von mehr als 10 – 25 % angefallen, weshalb diese mit 50 % der Vollarbeitszeit zu bewerten seien. Gleichwohl brachte die Beklagte diese Zeiten mit 55 % in Ansatz.

Der Kläger, der sich anlässlich des Betriebsübergangs dafür entschieden hatte, sein Arbeitsverhältnis weiterhin dem DRK-TV-O zu unterstellen, begehrt weitere volle Berücksichtigung der Zeiten seines Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit auf seinem Arbeitszeitkonto und Zahlung sämtlicher Zuschläge für diese Zeiten. Er ist der Ansicht, dass er während seiner gesamten Schicht von 24 Stunden neben tatsächlich anfallender Arbeit ständig Arbeitsbereitschaft zu leisten habe, da die vorgesehene Ausrückzeit von 90 Sekunden ab Eingang eines Notrufs ihm keinen Schlaf erlaube, er vielmehr ständig Dienstkleidung tragen und sich einsatzbereit halten müsse.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach den Ermittlungen der Beklagten fielen während eines 24-Stunden-Dienstes durchschnittlich 2,06 Stunden aktive Einsätze an, wobei unter Berücksichtigung notwendiger Vor- und Nacharbeiten gut 4 Stunden als Arbeitszeit zu berücksichtigen seien. Daneben seien während der Zeit von 7 – 15 Uhr insbesondere Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten und Arbeiten zur Sicherstellung einer adäquaten Lagerhaltung und Materialausstattung zu verrichten. In der Zeit von 15 – 7 Uhr müsse sich der Kläger lediglich in der Rettungsstation aufhalten und binnen 90 Sekunden abfahrbereit sein. Sofern es ihm im Gegensatz zu Kollegen nicht möglich sei, Tiefschlaf zu halten, müsse er sich auf Ruhen oder leichten Schlaf beschränken und ein Schlafdefizit in der anschließenden Freistellungsphase ausgleichen. Damit habe der Kläger für die Zeit des angeordneten Bereitsc...

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