Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Kündigungsschutz. Betriebsgröße. Treu und Glauben. Sittenwidrigkeit. Willkür. Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes. Kündigung der früheren Geschäftsführerin in Kleinbetrieb

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Frage, ob eine Kündigung gegen Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB verstößt, reicht die Feststellung aus, dass es für die Kündigung vernünftige und nachvollziehbare Gründe gibt.

2. Vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Kündigung der früheren Geschäftsführerin einer kommunalen Wohnungsverwaltungsgesellschaft liegen vor, wenn der Arbeitnehmerin schwerwiegende Fehler und Versäumnisse im Rahmen ihrer Geschäftsführung anzulasten sind, sie ihre Nachfolger in der Geschäftführung nicht als Vorgesetze akzeptiert und Schwierigkeiten hat, sich mit ihrer neuen Rolle als Untergebene abzufinden; unter diesen Umständen muss das Arbeitsverhältnis als belastet angesehen werden.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 242; KSchG § 23; BGB § 611 Abs. 1; KSchG § 23 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Neubrandenburg (Entscheidung vom 22.12.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1146/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 22. Dezember 2010 - Aktenzeichen 2 Ca 1146/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt - soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse - Kündigungsschutz wegen der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 1. Oktober 2009.

Die Beklagte ist eine kommunale Wohnungsverwaltungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Die Gesellschaftsanteile gehören den Gemeinden A-Stadt, S. und L., die alle demselben Amt angehören. Die Beklagte verwaltet die Wohnungen, die sich im Besitz der drei Gemeinden befinden sowie weitere Wohnungen anderer Gemeinden und privater Eigentümer.

Die Klägerin war schon zu DDR-Zeiten seit 1978 in der Wohnungswirtschaft tätig und sie ist auf Grund eines Anstellungsvertrages seit 1992 Geschäftsführerin der Beklagten gewesen. Im Jahre 2004 hat das Gemeindeprüfungsamt des zuständigen Landkreises eine Tiefenprüfung der Geschäfte der Beklagten vorgenommen. Der daraus entstandene Bericht vom 30. November 2004 (Kopie als Anlage B 6 überreicht, hier Blatt 201 ff) zählt zahlreiche Defizite bei den Jahresabschlüssen, bei dem Nachweis der Geschäftstätigkeit und bei der Vergabepraxis auf. Außerdem wurde die Führung von Festgeldkonten zu Gunsten der kommunalen Eigentümer der Wohnungen kritisiert. In Folge dieses Berichts ist die Klägerin mit Schreiben der Gesellschafter vom 27. Dezember 2005 zum 30. Juni 2006 als Geschäftsführerin der Beklagten abberufen und das zu Grunde liegende Anstellungsverhältnis beendet worden (Kopie als Anlage K5 überreicht, hier Blatt 242).

Die Klägerin ist danach ohne Unterbrechung bei der Beklagten als Arbeitnehmerin eingestellt worden. Maßgeblich ist insoweit heute der Arbeitsvertrag vom 1. April 2008, nach dem die Klägerin Aufgaben in der Wohnungsverwaltung übernimmt. Sie hat danach eine 40-Stunden-Woche und verdient 2.455 Euro brutto monatlich.

Aufgrund einer erneuten Prüfung der Geschäftstätigkeit der Beklagten, diesmal durch das Amt, dem die Gesellschafter der Beklagten angehören, sind bei der Beklagten im März 2009 zwei Festgeldkonten entdeckt worden, auf denen zu Gunsten der Gemeinden A-Stadt und P. jeweils knapp unter 95.000 Euro verbucht waren. Die Gelder stammen wohl aus Mietüberschüssen aus den Wohnungen der betreffenden Gemeinden und sie wurden Mitte der 90er Jahre auf die beiden Konten durch einmalige Überweisung eingezahlt. Das Vermögen auf den beiden Festgeldkonten taucht weder in den Jahresabschlüssen der Beklagten noch in den betroffenen kommunalen Haushalten auf. Auf die nicht unerheblichen Zinszahlungen ist Kapitalertragssteuer und Solidaritätsbeitrag abgeführt worden, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn die Gelder den kommunalen Haushalten zugeführt worden wären. Der zu dem Vorgang verfasste umfängliche Bericht des Amtes vom 24. Juni 2009 (als Anlage B 2 überreicht, hier Blatt 125 ff) endet mit der nahezu unverhohlenen Forderung des Amtes, das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu beenden.

Die Beklagte hat dann das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1. Oktober 2009, der Klägerin zugegangen am selben Tage, ordentlich fristgemäß zum 30. April 2010 gekündigt. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage ist am 21. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht eingegangen.

Soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse, hat das Arbeitsgericht die gegen diese Kündigung gerichtete Klage mit Urteil vom 22. Dezember 2010 als unbegründet abgewiesen. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen der geringen Anzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer § 1 KSchG keine Anwendung findet. Auch sonstige Gründe für die Unwirksamkeit der Kündigung hat das Arbeitsgericht nicht anerkannt.

Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr B...

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