Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Haustarifvertrages hinsichtlich der Gewährung von Freistellungstagen

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines Haustarifvertrages

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Haustarifvertrag, der unter der Überschrift "Anerkennung der Tarifverträge" lediglich zwei Tarifverträge für anwendbar erklärt, vermag die Geltung weiterer Tarifverträge nicht zu vermitteln. Das gilt auch dann, wenn der Haustarifvertrag darüber hinaus sämtliche nach seinem Inkrafttreten abgeschlossene Tarifverträge für anwendbar erklärt, wenn diese Regelung die gesamte durch die Einbeziehung erzielte Tarifstruktur konterkarieren würde.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 18.10.2019; Aktenzeichen 2 Ca 747/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.11.2020; Aktenzeichen 4 AZR 210/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.10.2019 - 2 Ca 747/19 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gewährung von Freistellungstagen aufgrund tarifvertraglicher Regelungen.

Der Kläger ist bei der Beklagten langjährig seit mehr als fünf Jahren beschäftigt und dabei jedenfalls seit mehr als fünf Jahren im Dreischichtdienst tätig. Seine Arbeitszeit beträgt mindestens 35 Stunden pro Woche. Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall).

Die Beklagte ist Mitglied im Arbeitgeberverband der Chemischen und Gemischten Industrie von Düren, Jülich, Euskirchen und Umgebung e.V.

Am 08.05.2015 vereinbarten die Beklagte und die IG Metall einen Haustarifvertrag (Bl. 29-32 d. A.). In diesem Tarifvertrag heißt es auszugsweise:

"§ 2

Anerkennung der Tarifverträge

Die Parteien sind sich einig, dass mit sofortiger Wirkung die folgenden Tarifverträge zur Anwendung kommen:

(1) Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. MEK in der Eisen- Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 11.12.1996, gültig ab 01.01.1997 i. V. mit dem einheitlichen Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens (ETV 13. ME) vom 18.12.2003.

(2) Manteltarifvertrag vom 24.08./11.09.2001 für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen, gültig ab 01.01.2002.

a) Im Manteltarifvertrag wird in § 3, Ziffer 3, Abs. 5 die Zahl 18 % durch die Zahl 36 % ersetzt.

b) Im Manteltarifvertrag § 2, Abs. 2 wird die Probezeit von 3 Monaten auf 6 Monate verlängert.

c) Im Manteltarifvertrag wird der § 18 ausgesetzt und kommt ab 01.06.2016 zur Anwendung.

d) Im Manteltarifvertrag § 6 werden die Durchschnittsberechnungen der Zuschläge wie bisher auf den Stand von 2002 (betriebliche Praxis) angewendet.

(3) Bezugnehmend auf die §§ 11 und 13 MTV verpflichten sich die Betriebsparteien zeitnah eine Betriebsvereinbarung (gem. § 87 Abs. 5 BetrVG) abzuschließen.

§ 3

Erhöhung der Löhne, Gehälter, Entgelte und Auszubildendenvergütung

(1) Zukünftige Erhöhungen der Entgelte und Auszubildendenvergütungen verhandelt zwischen METALL NRW Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e. V. und der IG Metall Bezirk Nordrhein-Westfalen werden automatisch an die Beschäftigten weitergegeben.

(2) Mit Wirkung ab 01.06.2015 werden die Löhne/Gehälter aller Mitarbeiter um 3,4 % erhöht.

(...)

§ 4

Anerkennung weiterer Tarifverträge

(1) Zu den Tarifverträgen in der Anlage 1 verpflichten sich die Parteien bezüglich einer Anerkennung, mit dem festen Willen zur Einigung zu verhandeln. Es herrscht Arbeitskampffreiheit und keine Friedenspflicht. Die Verhandlungen sollen bis zum 31.12.2017 aufgenommen sein.

(...)

§ 5

Rechtsstatus der Tarifverträge

(1) Die in Bezug genommenen Tarifverträge gelten mit dem jeweils gültigen Rechtsstatus.

(2) Werden diese Tarifverträge oder Teile von ihnen gekündigt, gelten sie auch zwischen den Parteien dieses Anerkennungstarifvertrages als gekündigt.

(3) Forderungen, die zu den in Bezug genommenen Tarifverträgen gestellt werden, gelten auch gegenüber der Partei dieses Tarifvertrages als gestellt.

(4) Arbeitskampffreiheit und Friedenspflicht regeln sich so, als wäre die Firma Mitglied des Arbeitgeberverbandes, der die in Bezug genommenen Tarifverträge abgeschlossen hat.

(5) Es gelten alle Abkommen, Zusatzabkommen, Änderungen und Neufassungen von Tarifverträgen sowie alle neuen Tarifverträge und -bestimmungen, die zwischen METALL NRW Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e. V. und der IG Metall Bezirk Nordrhein-Westfalen für das Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen vereinbart werden."

Die in § 4 des Haustarifvertrages genannte Anlage 1 (Bl. 31 d. A.) enthält eine Auflistung von 22 Tarifverträgen beginnend mit dem Einheitlichen Manteltarifvertrag (EMTV) vom 18.12.2003 sowie dem Entgeltrahmenabkommen (ERA) vom 18.12.2003.

Mit der schriftlichen "Änderungsvereinbarung zum Haustarifvertrag" vom 16.08.2017 verlängerten die Tarifvertragsparteien die in § 4 Abs. 1 des Haustarifvertrag...

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