Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und wegen privater Nutzung des Internets am Arbeitsplatz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine sexuelle Belästigung i.S. von § 3 Abs. 4 AGG ist "an sich" als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dies ist jedoch abhängig von den konkreten Umständen, u.a. von ihrem Umfang und ihrer Intensität.

2. Auch im Bereich sexueller Belästigung ist regelmäßig eine Abmahnung vor Ausspruch einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich, es sei denn, dass bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - offensichtlich ausgeschlossen ist.

3. Die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz stellt nur im Fall einer exzessiven Nutzung des Mediums, die eine schwere Vertragspflichtverletzung darstellen würde, eine so schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten dar, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar in erheblichem Umfang Daten und Programme herunter geladen und die E-Mail-Signatur des Arbeitgebers auch zu privaten Zwecken eingesetzt hat, jedoch weder eine Vireninfizierung oder sonstige Beeinträchtigungen des betrieblichen Systems drohte und der Inhalt privater E-Mails auch nicht strafbewehrt und nicht pornographischen Inhalts war.

 

Normenkette

BGB § 626; AGG § 3 Abs. 4; BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 22.11.2013; Aktenzeichen 19 Ca 1767/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.11.2013 - 19 Ca 1767/12 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten mit dem Schreiben vom 21.02.2012, dem Kläger am selben Tage zugegangen, noch durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 26.04.2012, dem Kläger am selben Tage zugegangen, mit Ablauf des 31.10.2012 beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Der im Jahre 1977 geborene Kläger, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet, ist seit dem August 1993 für die Beklagte tätig, zuletzt als Teamleiter im D C (DC), Außenlager W . Im DC werden auch Leiharbeitskräfte der Firma O P eingesetzt, u.a. Frau G und die Zeugin H . Im Zeitraum 01.09.2011 bis 21.03.2012 war der Kläger mit der zusätzlichen Funktion des Bereitschaftsdienstes EDV-Operating betraut.

Nach dem Vorbringen der Beklagten hat sie am 25.01.2012 durch ein Telefonat mit einer Personaldisponentin der Firma O P Kenntnis von einer Einsatzweigerung der Arbeitnehmerinnen G und H erlangt. In einem Gespräch am 01.02.2012 hätten die Leiharbeitnehmerinnen ihre Beweggründe geschildert und diese auf Bitten der Beklagten schriftlich fixiert. Die schriftlichen Äußerungen (Bl. 44 ff. d. A.) seien am 13.02.2012 bei der Beklagten eingegangen. Im Nachgang hierzu wurden dem Kläger am 13.03.2012 die Darstellungen vorgelesen und er wurde zum Vorwurf sexueller Belästigung angehört, wobei ihm die Namen der Arbeitnehmerinnen nicht genannt wurden. Sodann führte die Beklagte mit weiteren Mitarbeitern des Außenlagers W Gespräche zur Aufklärung der Vorwürfe. Am 14.02.2012 gingen ihr zwei E-Mails über die Befragung der Arbeitnehmerin M zu eventuellen sexuellen Übergriffen des Klägers zu (Bl. 59 f. d. A.).

Am 15.02.2012 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens nebst angeblich beigefügter Unterlagen wird auf Bl. 52 ff. d. A. verwiesen. Der Betriebsrat teilte unter dem 16.02.2012 mit, dass er der Kündigung zustimme.

Die Beklagte kündigte sodann mit Schreiben vom 21.02.2012 das Arbeitsverhältnis wegen des Verdachts auf strafbare Handlungen fristlos mit sofortiger Wirkung (Bl. 5 d. A.). Der Kläger hat gegen diese Kündigung am 21.02.2012 zugegangene Kündigung am 28.02.2012 Kündigungsschutzklage erhoben.

Nachdem am 04.04.2012 der auch vom Kläger genutzte Rechner untersucht wurde, leitete die Beklagte am 16.04.2012 die Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers wegen Verstoßes gegen die betriebsinternen EDV-Richtlinien (PC-Uservereinbarung aus dem Mai 2011, Bl. 69 ff. d. A.) ein. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 78 ff. d. A. verwiesen. Der Betriebsrat teilte unter dem 18.04...

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