Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Teilurteils. Auskunftsanspruch des Arbeitgebers über die vom Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge an den Arbeitnehmer. Keine Obliegenheit des Arbeitnehmers zu besonderen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung. Keine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers über die von ihm unternommenen Bewerbungsbemühungen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Annahmeverzugslohn beanspruchende Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber Auskunft über Einzelheiten sämtliche - ggf. überoglicgatorisch - von ihm unternommener Bewerbungsbemühungen zu erteilen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Teilurteil darf - auch im Fall der Widerklage - nur erlassen werden, wenn die Gefahr widersprechender Entscheidungen, auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, ausgeschlossen ist. Eine solche Gefahr entsteht u.a. bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen diesen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht.

2. Eine Auskunftsverpflichtung über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge besteht nach § 242 BGB nur dann, wenn eine besondere materiell-rechtliche Beziehung die wahrscheinliche Existenz eines Leistungsanspruchs des Auskunftsfordernden

gegen den Anspruchsgegner begründen kann.

3. Den Arbeitnehmer trifft keine Obliegenheit, ohne das Vorliegen konkreter Hinweise auf eine Beschäftigungsmöglichkeit besondere Anstrengungen zum Erlangen einer Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber zu unternehmen. Deshalb können diesbezüglich auch keine Auskunftspflichten des Arbeitnehmers angenommen werden.

 

Normenkette

BGB § 242; KSchG § 11 Nr. 2; SGB III § 2 Abs. 5; ZPO § 301 Abs. 1 S. 1; BGB § 362 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 12.10.2022; Aktenzeichen 5 Ca 228/22)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 12.10.2022 - 5 Ca 228/22 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen des Berufungsverfahrens gegen ein Teilurteil des Arbeitsgerichts Bonn über Auskunftsansprüche der Beklagten.

Der Kläger war seit dem 01.03.2015 bei der Beklagten als Lagerarbeiter zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 2.380,44 Euro bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 03.12.2020 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht. In dem sich anschließenden Kündigungsschutzverfahren obsiegte der Kläger in beiden Instanzen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 25.01.2022, mit dem die Berufung der Beklagten sowie ihr Auflösungsantrag zurückgewiesen wurde, wurde nach einem mit Schreiben vom 08.04.2022 erklärten Rechtsmittelverzicht der Beklagten rechtskräftig. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13.04.2022 beendete der Kläger das Arbeitsverhältnis gem. § 12 Satz 1 KSchG zum 14.04.2022.

Mit seiner am 10.02.2022 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Klage nebst Klageerweiterungen hat der Kläger die Zahlung von Annahmeverzugslohnansprüchen für den Zeitraum vom 03.12.2020 bis zum 31.01.2022, Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 2021 sowie Urlaubsabgeltungsansprüche geltend gemacht. Zu den Annahmeverzugslohnansprüchen war der Kläger der Ansicht, es lägen jenseits des bezogenen Arbeitslosengeldes keine weiteren Anrechnungstatbestände vor. Insbesondere habe er im streitgegenständlichen Zeitraum keinen anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen. Hier hat er behauptet, er habe sich durchgehend um eine neue Beschäftigung bemüht, aber erst zum 15.02.2022 eine neue Stelle gefunden. Auch die Agentur für Arbeit habe ihm, nachdem er sich arbeitssuchend gemeldet habe, keine Vermittlungsvorschläge für ihm zumutbare Stellen unterbreitet. Insbesondere habe es sich nahezu ausschließlich um Tätigkeiten als Leiharbeitnehmer und zu deutlich geringerer Vergütung gehandelt, teilweise seien die Arbeitsplätze auch räumlich zu weit entfernt gewesen. Soweit er sich dennoch, auch über die Vorschläge der Agentur für Arbeit hinaus, beworben habe, seien seine Bewerbungen erfolglos geblieben.

Der Kläger hat beantragt,

  • 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn Entgelt für den Monat Dezember 2020 in Höhe von 2.380,44 Euro brutto abzüglich gezahlter 232,26 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.01.2021 zu zahlen;

  • 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Januar und Februar 2021 Vergütung in Höhe von 4.760,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen aus 2.380,44 Euro brutto in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.02.2022 sowie aus weiteren 2.380,44 Euro brutto ab dem 01.03.2022 zu zahlen;

  • 3.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn Vergütung für den Monat März 2021 in Höhe von 2.380,44 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.324,40 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basi...

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