Entscheidungsstichwort (Thema)

Internat. Privatrecht (Arbeitsrecht). Regelanknüpfung Arbeitsort, hier Aufzugmechaniker der Botschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1) Die in Art. 30 Abs. 2 EGBGB vorausgesetzte objektive Anknüpfung des Arbeitsverhältnisses an den gewöhnlichen Arbeitsort, nämlich das Zentrum der arbeitsrechtlichen Beziehungen ist der Ort im geographischen Sinn. Die „Exterritorialität” der Gebäude oder Liegenschaften einer Auslandsvertretung steht dem nicht entgegen.

2) Die Ausnahmeklausel des 2. Halbsatzes in Art. 30 Abs. 2 EGBGB erfordert eine objektivierende Wertung der Gesamtumstände, unter denen das Arbeitsverhältnis beiderseits erfüllt und – z.B. auch sozialversicherungsrechtlich – abgewickelt wird.

3) Mangels ausdrücklicher Rechtswahl ist zu vermuten, daß Arbeitskräfte für untergeordnete interne Dienstleistung wie z.B. der Aufzugsmechaniker einer Botschaft, wenn sie als sog. Ortskräfte eingestellt worden sind, der Regelanknüpfung an das lokale Recht des Tätigkeitsortes unterliegen, sie fallen dann regelmäßig auch nicht unter die genannte „Ausnahmeklausel”.

4) Das Kündigungsschutzgesetz ist zwingendes Recht im Sinne des Art. 30 Abs. 1 EGBGB (juris: BGBEG).

 

Normenkette

EGBGB Art. 27, 30, 34; KSchG §§ 2, 1 Abs. 2; BGB § 620

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 04.10.1995; Aktenzeichen 3 Ca 2140/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.11.1997; Aktenzeichen 2 AZR 631/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.10.1995 – 3 Ca 2140/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Streitwert: 9.000,– DM.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob ihr Arbeitsverhältnis nach einer Änderungskündigung nur noch befristet fortbesteht, und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet.

Der Kläger wohnt in Remagen und steht seit dem 02.01.1979 bei der Botschaft der Beklagten in Bonn in einem Arbeitsverhältnis als Aufzugmonteur; sein monatlicher Bruttoarbeitslohn beträgt 4.500,– DM zuzüglich Essenszuschuß sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Der Kläger ist als Ortskraft eingestellt worden (Foreign Service National Employee); die Arbeitsbedingungen dieser Ortskräfte bestimmen sich nach dem Foreign Service National Handbook. Die amerikanische Regierung beschäftigt ihre Foreign Service National Employees entweder unter einem „regulären Vertrag”, kurz FSN, oder aber einem „Dienstleistungsvertrag als sog. Personal Services Contractor”, kurz PSC. Der Kläger hat einen regulären FSN-Vertrag.

Das erwähnte Handbook enthält in der Fassung vom 01.01.1992 auf der Seite 3 eine Regelung über den Status des Arbeitsverhältnisses, welche in der nichtamtlichen Übersetzung wie folgt lautet:

Das Beschäftigungsverhältnis mit der amerikanischen Regierung

„Die für U. S. Botschafts- oder Konsulatsangehörige geltenden Beschäftigungsbedingungen und die gebotenen Zusatzleistungen gleichen nicht notwendigerweise, den generell in Deutschland zu findenden Bedingungen und Leistungen. Das ist darauf zurückzuführen, daß FSN-Angestellte vorrangig amerikanischen Gesetzen und Vorschriften unterliegen. Die amerikanische Regierung strebt jedoch eine größtmögliche Annäherung an die örtlichen Gesetze. Traditionen und Praktiken an, insoweit sie nicht im Widerspruch zu amerikanischen Gesetzen und Vorschriften stehen”.

Im Zusammenhang der Beendigung von Arbeitsverhältnissen (S. 105 ff) enthält das genannte Handbook zunächst folgende Regelung:

„1. Allgemeines

FSN und PSC Arbeitsverhältnisse können jederzeit unter Berücksichtigung der deutschen Gesetze und sonstiger Rechtsvorschriften gekündigt werden. Kündigungen können ferner aus Sicherheits- oder Eignungsgründen ausgesprochen werden, FSN und PSC Arbeitsverhältnisse können jederzeit fristlos gekündigt werden, wenn der amerikanischen Regierung die Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse nicht weiter zumutbar ist. Eine Kündigung darf unter keinen Umständen willkürlich oder mutwillig ausgesprochen werden”.

Des weiteren ist einem Abschnitt B die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber geregelt. Es handelt sich um eine Regelung der Kündigungsfristen, welche unstreitig dem § 622 BGB angeglichen sind, und eine besondere Regelung für die „Entlassung wegen Personalabbaus (Reduction in Force = RIF)”. Es handelt sich um Entlassungen im Fall fehlender finanzieller Mittel, der Reduzierung des Arbeitsvolumens oder der von Washington vorgegebenen Streichung von Regierungsstellen. Die Entlassung erfolgt nach dem intern aufgestellten RIF-Plan und nach Maßgabe einer besonders geregelten Punktetabelle. In den RIF-Plan werden gemäß dem Handbook (a.a.O.) „das deutsche Kündigungsrecht und im Zusammenhang mit dem Abbau von Personal angewandte Praktiken soweit wie möglich einbezogen; dennoch ist dem betrieblichen Nutzen Vorrang zu geben und nicht ausschließlich von der Seniorität auszugehen.”

Auf den weiteren aktenkundigen Inhalt des FSN-Handbook (Anlage B 2, B 2 a. B 3 und B 3 a des erstinstanzlichen Schriftsatzes der Beklagten...

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