Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebsbedingte Kündigung. soziale Auswahl. Leistungsträger. Arbeitsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die generelle Herausnahme von sog. Leistungsträger aus der Sozialwahl verstößt gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG a. F., weil eine einzelfallbezogene Interessenabwägungen, stattzufinden hat: Je schwerer das soziale Interesse wiegt, um so gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein (im Anschluss an BAG 05.12.2002 – 2 AZR 697/01).

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 18.05.2004; Aktenzeichen 13 Ca 12725/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.05.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 13 Ca 12725/03 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und die vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses.

Der 38 Jahre alte Kläger, der im April 1993 mit Erfolg die Diplomprüfung im Ingenieurwesen – Studiengang Produktionstechnik – an der Fachhochschule Köln ablegte und damit den akademischen Grad Diplom-Ingenieur (Dipl-Ing.) erwarb, war seit dem 17.10.1994 bei der Beklagten in der Abteilung „Ausrüstung” als Gehilfe/Maschinenführer tätig. Sein Jahresbruttoeinkommen belief sich zuletzt auf ca. 27.500,00 EUR. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Papierindustrie und beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer.

Aufgrund der mit Interessenausgleich und Sozialplan vom 31.08.2001 begleiteten Restrukturierung entfielen im Betriebsbereich „Ausrüstung 2 sG” im dortigen Arbeitsbereich „Rolleneinteiler” zum Ende 2003 drei Arbeitsplätze. Bei der Festlegung des Kreises der zu kündigenden Arbeitnehmer wurden neben den in diesem Bereich unmittelbar eingesetzten Arbeitnehmern weitere 252 Arbeitnehmer auf 68 vergleichbaren Arbeitsplätzen in die Sozialauswahl einbezogen, so auch der Kläger, dessen Arbeitsplatz selbst vom Wegfall nicht betroffen war. Die Beklagte nahm sodann aus der Sozialauswahl die von ihr ausgebildeten Papiermacher heraus. Hierbei handelte es sich um 37 Mitarbeiter, die auf Stellen eingesetzt sind, deren Tätigkeit derjenigen des Klägers vergleichbar ist. Weiterbeschäftigt werden auch Papiermacher, die erst im Jahre 2003 ihre Ausbildung beendeten.

Mit Schreiben vom 30.10.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung und Zustimmung des Betriebsrats am 29.10.2003 fristgerecht zum 31.01.2004.

Der Kläger hat dagegen am 05.11.2003 Kündigungsschutzklage erhoben und die Ansicht vertreten, die Kündigung sei wegen fehlerhafter Sozialauswahl und fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats rechtsunwirksam. Die Beklagte hat die von ihr getroffene Sozialauswahl verteidigt und die Herausnahme der ausgebildeten Papiermacher mit berechtigten betrieblichen Bedürfnissen im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG erklärt: Papiermacher seien in allen Bereichen der Produktion hochflexibel für qualifizierte Tätigkeiten einsetzbar und stellten somit auch das Potential dar, aus dem sie ihr künftiges Führungspersonal für die Produktion rekrutiere. Im übrigen sei die Sozialauswahl mit Rücksicht auf die mit dem Betriebsrat vereinbarten Auswahlrichtlinien nach § 1 Abs. 4 KSchG a. F. nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar, die nicht vorliege. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Herausnahme der Papiermacher aus der Sozialauswahl sei grob fehlerhaft gewesen, weil eine „allgemeine Günstigkeit”, diese Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, nicht ausreiche. Gegen das ihr am 26.10.2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 09.11.2004 Berufung eingelegt und nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 27.12.2004 begründet. Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens trägt sie vor, die Herausnahme der in der Betriebsratsanhörung namentlich aufgeführten 37 Papiermacher sei aufgrund „sonstiger berechtigter betrieblicher Bedürfnisse” im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG a. F. gerechtfertigt gewesen. Denn diese Mitarbeiter seien wegen ihrer spezifischen Fachqualifikation in der Papierindustrie vielseitig verwendbar und daher optimal einsetzbar. Aus dieser Gruppe rekrutiere sich auch das künftige Führungspersonal für die Produktion.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er behauptet, seine Qualifikation zur Durchführung der von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten sei sogar besser als die der neben ihm arbeitenden Papiermacher. Aufgrund seiner fachlichen Qualifikation sei er – unstreitig – auch mit Wirkung vom 01.10.2001 zum Werksangestellten ernannt worden. Im übrigen verteidigt der Kläger die angefochtene Entscheidung aus Rechtsgründen.

Wegen...

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