Entscheidungsstichwort (Thema)

Ultima-ratio-Prinzip. freier Arbeitsplatz. betriebsbedingte Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber kann zur Vermeidung einer betriebsbedingten Beendigungskündigung verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer einen freien anderen Arbeitsplatz anzubieten, auch wenn die Vergütung für diesen Arbeitsplatz erheblich geringer ist als die bisherige Vergütung des Arbeitnehmers. Dies kommt insbesondere dann in Frage, wenn der Arbeitnehmer nach einer Kündigung voraussichtlich auf dem Arbeitsmarkt langfristig nicht zu vermitteln ist.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2, § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 03.03.2004; Aktenzeichen 20 Ca 11795/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.03.2004 – 20 Ca 11795/03 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung der Beklagten ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

Es kann offen bleiben, ob die Hauptbegründung des Arbeitsgerichts zutrifft, dass die Beklagte keine nachvollziehbaren betriebsbedingten Gründe für den Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin und damit für eine soziale Rechtfertigung der Kündigung der Beklagten vorgetragen hat, § 1 Abs. 2 KSchG.

Die Entscheidung ist jedenfalls deshalb im Ergebnis zutreffend, weil die Kündigung wegen einer bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unwirksam war. Es gab unmittelbar vor der Kündigung der Klägerin einen freien Arbeitsplatz im Verkauf, welchen die Beklagte der Klägerin zur Vermeidung der Kündigung hätte anbieten müssen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung wegen Verstoßes gegen das Ultima-ratio-Prinzip auch dann unwirksam, wenn eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien, vergleichbaren Arbeitsplatz besteht. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers besteht auch in Bezug auf einen freien Arbeitsplatz zu geänderten und schlechteren Bedingungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kündigung dann, wenn dem Arbeitnehmer ein mögliches und zumutbares Änderungsangebot nicht unterbreitet worden ist, die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer einem vor der Kündigung gemachten entsprechenden Vorschlag zumindest unter Vorbehalt zugestimmt hätte, was der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess vortragen muss (BAG vom 27.09.1984 – 2 AZR 62/83 – = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1989).

Vorliegend war die dem Arbeitnehmer G im Bereich des Verkaufs angebotene Beschäftigung jedenfalls für die Arbeitgeberin zumutbar im Sinne der zitierten Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung (unter B I 3 c) aa) der Gründe) die Zumutbarkeit aus der Sicht des Arbeitnehmers davon abhängig gemacht, dass dieser über die für die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz objektiv erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. Die Tätigkeit muss für ihn nach den sonstigen Voraussetzungen für ihre Ausübung sowie nach ihrem sozialen und wirtschaftlichen Status vom Standpunkt eines objektiv urteilenden Arbeitgebers gesehen in Betracht kommen. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass Unzumutbarkeit (aus Sicht des Arbeitnehmers) insbesondere dann vorliegen kann, wenn die neue Tätigkeit eine erheblich geringere Qualifikation erfordert und auch entsprechend niedriger vergütet wird als die bisher ausgeübte, wobei als Anhaltspunkt für die Zumutbarkeit einer anderweitigen Beschäftigung die Kriterien dienen sollen, nach denen gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 2 a AFG und der hierzu erlassenen Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit die Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung beurteilt wird, zu deren Übernahme ein Arbeitsloser bereit sein muss, um der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen.

Wendet man diese vom Bundesarbeitsgericht für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkte auf den vorliegenden Fall an, so ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten über die für die Tätigkeit im Verkauf erforderlichen fundierten kaufmännischen Kenntnisse – auf Grund der von ihr absolvierten kaufmännischen Ausbildung und jahrelangen Berufserfahrung – verfügt. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin verfügt diese über das weitere für das Anforderungsprofil erforderliche gewandte und sichere Auftreten gegenüber Kunden sowie über gute und ausbaufähige Englischkenntnisse in Wort und Schrift. Der von der Beklagten unter anderem für maßgeblich gehaltene Gesichtspunkt, dass die Klägerin über keine Berufserfahrung im Verkauf verfügt, kann schon deshalb nicht durchschlagen, weil nach dem ebenfalls unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin der Arbeitnehmer G, mit dem die Stelle im Verkauf besetzt worden ist, bisher im Wesentlichen mit Lohnabrechnungen und damit au...

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