Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskraftfahrer. Gefahrenguttransport. absolutes Alkoholverbot. Wick MediNait. außerordentliche Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Der – mindestens grob fahrlässige – Verstoß eines Berufskraftfahrers gegen das absolute Alkoholverbot bei Gefahrguttransporten ist auch ohne vorangegangene Abmahnung geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB § 626; StVG § 24a; KSchG § 9; GGVSE §§ 9-10; GGBefG § 10

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 01.08.2007; Aktenzeichen 3 Ca 9041/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.08.2007 in Sachen 3 Ca 9041/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert:

Der Klageantrag auf Erteilung eines qualifizierten Schlusszeugnisses wird ebenfalls abgewiesen.

Die Kosten der Anschlussberufung trägt ebenfalls der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen arbeitgeberseitigen Kündigung.

Der am 03.06.1950 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 16.08.1999 in der Niederlassung H. der Beklagten als Berufskraftfahrer beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt bundesweit 143 Arbeitnehmer, davon 51 Fahrer und 3 kaufmännische Mitarbeiter in der Niederlassung H.. Sie ist auf Gefahrguttransporte spezialisiert. Einziger Auftraggeber der Niederlassung Hürth der Beklagten ist die Firma P. D. GmbH & Co. KG.

Am 11.10.2006 trat der Kläger um 04:45 Uhr seinen Dienst an. Als erstes hatte er eine Transportfahrt mit flüssigem Stickstoff zu einer Kundenfirma des Auftraggebers P. in A. durchzuführen. Es handelte sich dabei um einen Gefahrguttransport mit einer kennzeichnungspflichtigen Beförderungseinheit. Gemäß §§ 9 Abs. 11 Nr. 18, 10 Nr. 15 o) Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (GGVSE) i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG) gilt bei solchen Transporten eine bußgeldbewehrte Alkohol-Promillegrenze von 0,00 Promille. Hierüber werden sämtliche Fahrer der Beklagten in einmal jährlich stattfindenden Schulungen durch einen Fahrertrainer des Auftraggebers P. ausdrücklich belehrt. Gemäß Ziff. 15 Satz 2 Buchstabe d) des Arbeitsvertrages der Parteien vom 15.08.1999 „ist ein Grund zur fristlosen Kündigung insbesondere dann gegeben, wenn Sie unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug führen, auch wenn dies zu keiner behördlichen Feststellung geführt hat”. Bei der Beklagten ist es unternehmensüblich, gegenüber Fahrern, die gegen das absolute Alkoholverbot verstoßen haben, stets die außerordentliche Kündigung auszusprechen.

Kurz nach neun Uhr traf der Kläger am 11.10.2006 bei der Kundenfirma A. GmbH in A. ein. Während die Ladung abgetankt wurde, unterhielt sich der Kläger mit einem Mitarbeiter der Kundenfirma. Dieser glaubte im Atem des Klägers Alkoholgeruch wahrzunehmen. Er gab diese Information intern weiter, woraufhin die Firma A. GmbH die Polizei benachrichtigte. Diese traf um 09:25 Uhr auf dem Betriebsgelände ein. Den weiteren Verlauf gibt ein bei der Bußgeldakte befindlicher Aktenvermerk eines Polizeibeamten wie folgt wieder:

„Der Betroffene wurde am Einsatzort angesprochen. Während des Gespräches nahmen die eingesetzten Beamten Alkoholgeruch in seiner Atemluft wahr. Auf die Frage, ob er alkoholische Getränke in den letzten Stunden zu sich genommen habe, gab der Betroffene an, er habe am Vorabend zwischen 17 und 20 Uhr etwa vier Flaschen Bier (0,5 Liter) getrunken. Ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest mittels Dräger 7410 ergab eine AAK von 0,15 mg/l. Der Betroffene wurde der Hauptwache des WD West zugeführt zwecks Durchführung einer beweiserheblichen Atemalkoholmessung mittels Dräger 7110 (Evidential). Diese Messung ergab schließlich eine AAK von 0,1 mg/l. Dem Betroffenen wurde für zwei Stunden die Weiterfahrt untersagt. Nach Durchführung der Atemalkoholmessung wurde er zum Einsatzort zurückgebracht, wo auch noch weitere Fahrzeugunterlagen eingesehen wurden. Die Tacho-Scheiben des LKW wurde sichergestellt. Die Ausdrucke der Atemalkoholmessung liegen der Anzeige bei.” (Bl. 182 d. A.)

Auf den vollständigen Inhalt der polizeilichen Ordnungswidrigkeitenanzeige (Anlage B 11) und das Protokoll zur Atemalkoholmessung nebst Messstreifen (Anlage B 12) wird Bezug genommen (Bl. 180 – 187 d. A.). Wie sich aus § 24a StVG ergibt, entspricht einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,1 mg/l eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,2 Promille.

Nach dem Vorfall setzte der Kläger seine Fahrt Richtung B. fort. Nachdem die Beklagte über die Firma P. von den Ereignissen bei der A. GmbH in A. erfahren hatte, schickte sie dem Kläger einen Ersatzfahrer hinterher, der das Fahrzeug in B. vom Kläger übernahm. Der Kläger wurde freigestellt.

Am 12.10.2006 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Kläger und der Prokuristin der Niederlassung H. der Beklagten, A.-F., in welchem der Kläger äußerte, der bei ihm gem...

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