Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Funktionsnachfolge. Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

Beauftragt ein Arbeitgeber ein Speditionsunternehmen mit der bis dahin durch Arbeitnehmer des Betriebes bewirkten Belieferung von Kunden, ohne dem Spediteur irgendwelche materiellen oder inmateriellen Betriebsmittel zu übertragen, so handelt es sich dabei nicht um den Übergang eines Betriebsteiles.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 16.01.1996; Aktenzeichen 4 Ca 9044/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.04.1998; Aktenzeichen 8 AZR 665/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Bekalgten wird das am 16.1.1996 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 4 Ca 9044/95 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der 33 Jahre alte Kläger, der für zwei Kinder unterhaltspflichtig ist, war ab Februar 1982 bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt war er als Fahrer tätig. Er hatte die sogenannte braune Ware – Hifi-, Fernseh- und Videogeräte – auszufahren und bei den Kunden aufzustellen. Zuletzt verdiente der Kläger DM 4.096,– brutto im Monat.

Mit Schreiben vom 23.10.1995 kündete die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.1.1996 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei.

Mit seiner am 30.10.1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei nicht aus dringenden betrieblichen Gründen gerechtfertigt.

Er hat beantragt,

festzustellen, daß das zwischen den Parteien seit dem 11.2.1982 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.10.1995 beendet worden ist und über den 31.1.1996 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, der Arbeitsplatz des Klägers sei ersatzlos weggefallen, nachdem sie die Speditionsfirma mit Wirkung ab 1.10.1995 mit der Auslieferung der Geräte beauftragt habe. Die Firma habe von der Beklagten ausschließlich den Speditionsauftrag erhalten. Ihr seien keinerlei sächliche oder immaterielle Betriebsmittel übertragen worden.

Die Beklagte habe keinen anderen freien Arbeitsplatz für den Kläger gehabt. Auch sei das Freiwerden eines Arbeitsplatzes im Zeitpunkt der Kündigung nicht absehbar gewesen. Es gebe auch keine Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit und geringerer Schutzbedürftigkeit. Die Lagerarbeiter seien in eine niedrigere Vergütungsgruppe eingestuft. Sie erhielten DM 2.836,– brutto im Monat. Ansonsten beschäftigte die Beklagte nur Verkäufer. Auch sie verdienten im übrigen weniger als der Kläger.

Demgegenüber hat der Kläger bestritten, daß die Firma im Auftrag der Beklagten die braune Ware ausfahre. Auch hat er bestritten, daß dieser Firma keine materiellen oder immateriellen Mittel übertragen sein sollten. Er hat gemeint, die Beklagte hätte ihn als Lagerarbeiter beschäftigen können. Diese stünden hierarchisch auf derselben Stufe wie der Kläger.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16.1.1996 festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 23.10.1995 nicht beendet worden sei, und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, aus dem Vortrag der Beklagten ergebe sich, daß ein Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB auf die Firma übertragen worden sei; die Kündigung sei deshalb nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam; darüber hinaus verstoße die Kündigung gegen § 1 KSchG; denn die Beklagte habe dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben mitgeteilt, der Kläger solle bis zu seinem Ausscheiden im Bereich des Zentrallagers im Innendienst beschäftigt werden; also sei offensichtlich die Weiterbeschäftigung des Klägers möglich gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe, Bl. 27 ff d.A., verwiesen.

Gegen dieses ihr am 2.5.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3.6.1996 (Montag) Berufung eingelegt und das Rechtsmittel gleichzeitig begründet.

Sie behauptet weiterhin, der Kläger habe als Auslieferungsfahrer nicht weiterbeschäftigt werden können, weil die Beklagte die Firma mit der Auslieferung der Geräte beauftragt habe. Ein anderer freier Arbeitsplatz sei nicht vorhanden und auch nicht in Sicht gewesen. Auch im sogenannten Service-Center, intern als Werkstatt bezeichnet, sei eine Beschäftigung des Klägers nicht möglich gewesen. Dort habe die Beklagte ihn schon deshalb nicht unterbringen können, weil es sich beim Service-Center um eine selbständige Handelsgesellschaft handele, deren Geschäftführer mit den Geschäftsführern der Beklagten nicht identisch seien.

Die Kündigung sei auch nicht nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Die Beklagte habe nicht einen Betriebsteil auf die Firma übertragen. Die reine Auftragsvergabe stelle keinen Teilbetriebsübergang im Sinne dieser Norm dar.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Berufungsinstanz hat der Kläger unstreitig gestellt, daß die Firma mit der Auslieferung der braunen Ware ab Oktober 1...

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