Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag. Ultima-Ratio-Prinzip. Weiterbeschäftigungsanspruch. Werkspionage. Formel 1

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine betriebsbedingte Kündigung verstößt gegen das Ultima-Ratio-Prinzip, wenn der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz infolge einer innerbetrieblichen Umstrukturierung wegfällt, auf einen für ihn geeigneten anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.l

2. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass der anderweitige Arbeitsplatz im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits neu besetzt gewesen sei, wenn für ihn im Zeitpunkt der Neubesetzung bereits absehbar war, dass der von der Umstrukturierung betroffene Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz alsbald verlieren werde.

3. Ist der bisherige Arbeitsplatz in Folge einer Umstrukturierung weggefallen und die betriebsbedingte Kündigung nur deshalb unwirksam, weil die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz bestanden hätte, so kann der Arbeitnehmer im Rahmen seines Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht den Einsatz auf seinem nicht mehr existenten ursprünglichen Arbeitsplatz verlangen.

4. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess darüber spekuliert, die vom Arbeitgeber vorgebrachten betriebsbedingten Kündigungsgründe seien nur „vorgeschoben”, vermag einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag nicht zu rechtfertigen.

5. Zu den Anforderungen an einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag, der mit bestimmten Äußerungen des Arbeitnehmers in den Medien begründet wird.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2, §§ 9-10

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 13.09.2006; Aktenzeichen 7 Ca 12258/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.09.2006 in Sachen 7 Ca 12258/05 teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 02.12.2005, zugestellt am 15.12.2005, nicht zum 30.06.2006 beendet worden ist.

Der hilfsweise gestellte arbeitgeberseitige Auflösungsantrag wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, den Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Teil-Urteils vom 13.09.2006 Bezug genommen.

Das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 07.11.2006 zugestellt. Er hat hiergegen am 21.11.2006 Berufung einlegen und die Berufung nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 08.02.2007 am 30.01.2007 begründen lassen.

Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe nicht geprüft, ob die Beklagte ihre angebliche unternehmerische Entscheidung, die Position des Chief-Designers ersatzlos wegfallen zu lassen, auch tatsächlich umgesetzt habe bzw. habe umsetzen können. In Wirklichkeit beinhalte die mit dem Mitarbeiter V besetzte Position des General Managers Car Design & Development genau seine, des Klägers frühere Position als Chief-Designer, ergänzt um die Führung der Abteilung Research & Development, für die er, der Kläger, über- dies in der Zeit von August 2004 bis April 2005 ebenfalls zuständig gewesen sei. Er, der Kläger, sei nämlich nicht nur Chief-Designer gewesen, sondern habe auch die Position des General Manager Car Design & Development inne gehabt. Auch er habe unmittelbar dem technischen Direktor zu berichten gehabt. Letztlich sei nur seine Person durch die des Mitarbeiters V ersetzt worden.

Der Kläger wehrt sich gegen die Behauptung der Beklagten, er habe in seiner Eigenschaft als Chief-Designer zuletzt praktisch nichts mehr zu tun gehabt, und führt aus, dass auch er – weiterhin – in der Lage sei, die unter der Bezeichnung General Manager Car Design & Development zusammengefassten Aufgaben zu erfüllen. Insbesondere habe auch er stets eine CAD-gestützte Konstruktionsarbeit geleitet und geleistet. Eine „Konstruktionsarbeit alter Schule” am Zeichenbrett habe es unter seiner Leitung bei der Beklagten nie gegeben.

Weiter, so der Kläger, müsse die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung daran scheitern, dass anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. So sei die Beklagte – unstreitig – bereits im Februar 2005 mit dem Wunsch auf ihn zugekommen, das Vertragsverhältnis zu beenden. Zugleich habe man ihm die Stelle eines Projektleiters für die Advanced Project Group angeboten, ohne ihm indessen konkrete Angaben über die Höhe des mit dieser Position verbundenen Gehaltes zu machen und ohne ihn darüber zu belehren, dass sein Arbeitsplatz demnächst entfallen werde. Da für die B...

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