Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherung des Teilzeitanspruchs in Elternzeit durch einstweilige Verfügung. Keine zeitliche Beschränkung des Verfügungsantrags auf Beschäftigung. Sehr strenge Anforderungen an Verfügungsgrund. Unbeachtlichkeit finanzieller und familiärer Aspekte beim Verfügungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit kann durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden kann. Die Besonderheiten des Teilzeitanspruchs, die sich insbesondere aus der Regelung zur Vollstreckung ergeben, stehen dem nicht entgegen.

2. Sind die Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung gegeben, ist dem Arbeitgeber aufzugeben, den Arbeitnehmer mit der von ihm angestrebten Stundenzahl tatsächlich zu beschäftigen. Eine zeitliche Begrenzung des Beschäftigungstitels etwa "bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts in der Hauptsache" ist in aller Regel nicht vorzunehmen.

3. An den Verfügungsgrund sind weder wegen einer Vorwegnahme der Hauptsache "besonders strenge Anforderungen" noch wegen des Zeitablaufs keine weiteren Voraussetzungen zu stlelen. Es bedarf vielmehr wie stets bei der einstweiligen Verfügung einer umfassenden Interessenabwägung.

4. Regelmäßig kommt als Verfügungsgrund nur ein konkretes ideelles Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung in Betracht. Dagegen kann der Arbeitnehmer den Verfügungsgrund nicht damit begründen, die Kinderbetreuung müsse gewährleistet werden. Der Verfügungsgrund kann auch nicht damit begründet werden, dass der Arbeitnehmer dringend auf den Verdienst angewiesen ist.

 

Normenkette

BEEG § 15 Abs. 5, 7; ZPO §§ 894, 920, 936 Abs. 2, § 938 Abs. 1; ArbGG § 62 Abs. 2, § 64 Abs. 6; ZPO § 567

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 24.04.2021; Aktenzeichen 2 Ga 20/21)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 24.04.2021 - 2 Ga 20/21 - teilweise abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum 24.04.2022 im Umfang von 30 Wochenstunden als Head of Customer Strategy & Salesforce zu beschäftigen.

  2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.
 

Tatbestand

Die Klägerin macht im einstweiligen Verfügungsverfahren ihre Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit geltend.

Die Beklagte betreibt ein Onlineportal, welches Informationen und Angebote zu allen deutschen Orten, Städten und Gemeinden bereithält. Sie beschäftigt sich deutschlandweit ca. 250 Mitarbeiter. Das "Headquater" befindet sich in K .

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit Februar 2017 angestellt. Zuletzt wurde sie am 01.12.2019 befördert. Ihr wurde die Stelle des "Head of Customer Strategy & Salesforce" zugewiesen. Ihr Jahresgehalt betrug vor der Elternzeit 106.000 €. Sie war unmittelbar den Geschäftsführern unterstellt.

Nach der Geburt ihres Sohnes befindet sich die Klägerin seit dem 20.06.2020 in Elternzeit. Diese endet am 24.04.2022. Die Beklagte strukturierte das Unternehmen nach dem Ausscheiden eines ihrer Geschäftsführer im August 2020 um. Sie verfügt nur noch über einen Geschäftsführer. Die von der Klägerin geleitete Abteilung wurde zum 31.12.2020 aufgelöst.

Die Klägerin beantragte am 19.02.2021 ab dem 01.05.2021 ihre Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit bis zum 24.04.2022 im Umfang von 30 Wochenstunden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 29.03.2021, welches die Klägerin am 31.03.2021 erhielt, ab. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Mit ihrem am 20.04.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte verfüge über mehrere freie Stellen, die sie ausfüllen könne. Auf der gleichen Ebene wie bisher sei die Tätigkeit des Directors angesiedelt. Sie sei jedoch auch bereit, während der Elternzeit eine geringwertigere Tätigkeit als bisher zu übernehmen. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass sie ihren Anspruch an jedem Tag, an dem sie nicht beschäftigt werde, nicht umsetzen könne, ohne dass dies nachholbar sei. Zudem habe sie ein schutzwürdiges ideelles Interesse, tatsächlich beschäftigt zu werden. Sie laufe Gefahr, den Kontakt zum Unternehmen zu verlieren und somit aus dem Unternehmen allein wegen ihrer vorübergehenden Abwesenheit gedrängt zu werden. Für die Beklagte sei ihr Ansinnen nicht überraschend gekommen; sie habe bereits bei Inanspruchnahme der Elternzeit darauf hingewiesen, dass sie die Absicht habe, im zweiten Jahr in Teilzeit zurückzukehren.

Die Klägerin hat die folgenden Anträge angekündigt:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Antragstellerin in der Zeit vom 01.05.2021 bis zum Ende der Elternzeit der Antragstellerin am 24.04.2022 in Teilzeit im Umfang von 30 Wochenstunden und ansonsten vertragsgemäß entsprechend dem Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.02.2017 nebst Vertragsänderungen vom 12.09.2018, vom 11.02.2019 und vom 22.11.2019 als "Head of Customer Strategy & Salesforc...

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