Zulassung Revision

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung. Weisungsrecht. Änderungskündigung. gemeinsamer Betrieb. Mitbestimmung. Schwellenwert

 

Leitsatz (redaktionell)

Der nach § 99 Abs. 1 BetrVG erforderliche Schwellenwert von 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern bezieht sich auf das Unternehmen, nicht den Betrieb. Es ist daher unschädlich, wenn der Schwellenwert in einem gemeinsamen Betrieb überschritten wird, nicht jedoch im maßgeblichen Unternehmen.

 

Normenkette

BetrVG § 1 Abs. 2, § 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1; BGB § 315

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 18.06.2002; Aktenzeichen 17 Ca 127/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.09.2004; Aktenzeichen 1 AZR 473/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.06.2002 – 17 Ca 127/02 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Weisung der Beklagten.

Unternehmensgegenstand der Beklagten ist die Herstellung von Zahnersatz. Sie beschäftigte zuletzt 18 Arbeitnehmer. Seit Januar 1999 existiert daneben die D., bei der zuletzt vier Arbeitnehmer beschäftigt waren. Beide Gesellschaften werden in Personalunion vom Geschäftsführer der Beklagten geleitet. Der am 25.06.1960 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten seit August 1977 beschäftigt und war bis zum Ablauf der letzten Wahlperiode Betriebsratsvorsitzender. Mitte Oktober 2001 wies der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger an, ab sofort ausschließlich als Kurierfahrer zu arbeiten.

Mit seiner am 04.01.2002 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Weisung. Zuvor hatte der Betriebsrat bereits im Dezember 2001 beim Arbeitsgericht die Aufhebung der vorgenannten personellen Maßnahme gegenüber dem Kläger beantragt. Nach stattgebendem erstinstanzlichem Beschluss hat das Landesarbeitsgericht Köln auf die Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 04.06.2003 (3 TaBV 76/02) den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weisung der Beklagten stelle eine erhebliche Änderung der Arbeitsbedingungen dar und sei weder vom Arbeitsvertrag umfasst noch vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. In individualarbeitsrechtlicher Hinsicht sei daher eine Änderungskündigung erforderlich gewesen. In kollektivrechtlicher Hinsicht fehle es jedenfalls an der gemäß § 99 BetrVG erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, er sei zunächst als ungelernte Kraft bei der Beklagten eingestellt worden und habe sich sodann im Laufe der Jahre im Wege des sog. „Learning by Doing” die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung qualifizierter Zahntechnikerarbeiten angeeignet. Er habe zunächst ca. 15 Jahre in der Modellgussabteilung gearbeitet und dort Arbeiten an herausnehmbarem Zahnersatz vom Rohprodukt bis zum fertigen Einsatzprodukt geleistet. Anschließend habe er zwei Jahre fachgerecht in der Kunststoffabteilung gearbeitet, in der Zähne in Wachs aufgestellt und modelliert werden. Weitere zwei Jahre sei er schließlich in der Gipsabteilung tätig gewesen und habe auch dort im Rahmen der Modellerstellung mitgewirkt. Außerdem habe er in der Vergangenheit auch Kurierdienste ausgeführt. Dies sei im Jahr 1988 an ca. 140 Tagen gewesen. In den Kalenderjahren 1990 und 1991 sei er ganzjährig als Kurierfahrer eingesetzt gewesen. Im Übrigen habe er nur bedarfsweise bei Krankheit oder Urlaub Kuriertätigkeiten als zusätzliche Leistungen ausgeübt. So habe er im Jahr 1998 zusätzlich zu seiner Tätigkeit in der Kunststoffabteilung ca. zwei Stunden vormittags und mittags Kurierfahrten für die Beklagte erledigt. Nach seinem Wechsel 1999 in die Gipsabteilung sei er anfangs lediglich für einige Wochen mitgefahren um sodann in der Folgezeit gegen Ende 1999 ausschließlich in der Gipsabteilung zu arbeiten. Schließlich hat der Kläger bestritten, dass die beklagtenseits benannten vier Mitarbeiterinnen Arbeitnehmerinnen der D., sondern vielmehr Beschäftigte der Beklagten seien.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass die Versetzung der Beklagten aus Mitte Oktober 2001 gegenüber dem Kläger von der Gipsabteilung in den Kurierdienst rechtsunwirksam ist;
  2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab sofort als Zahntechniker zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Weisung sei rechtmäßig, da der Kläger als ungelernte Hilfskraft keinen Anspruch auf eine bestimmte Tätigkeit habe. Wie auch in der Vergangenheit tatsächlich gehandhabt sei die Beklagte berechtigt, den Kläger mit wechselnden, seinen Kenntnissen und Erfahrungen entsprechenden Tätigkeiten zu betrauen. Hierzu gehöre ausdrücklich auch die Beschäftigung als Fahrer. Eine Konkretisierung auf...

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