Rechtsbeschwerde

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung. gemeinsamer Betrieb. Mitbestimmung. Schwellenwert

 

Leitsatz (amtlich)

Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen im Sinne von § 99 BetrVG in der seit dem 28.07.2001 geltenden Fassung setzt bei einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen voraus, dass der Schwellenwert des § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG von 20 Arbeitnehmern im jeweiligen Unternehmen überschritten wird. Es ist insoweit nicht auf den Gemeinschaftsbetrieb als Bezugsgröße abzustellen.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 1, § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 18.06.2002; Aktenzeichen 17 BV 248/01)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 29.09.2004; Aktenzeichen 1 ABR 39/03)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.06.2002 – 17 BV 248/01 – abgeändert und der Antrag zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Versetzung des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 99 BetrVG unterliegt.

Der Antragsteller ist der im gemeinsamen Betrieb der Antragsgegnerin sowie der D. GmbH in K. bestehende dreiköpfige Betriebsrat. Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin, bei der zuletzt 18 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist die Herstellung von Zahnersatz. Daneben existiert seit Januar 1999 die D. GmbH, deren Unternehmensgegenstand ebenfalls im Betreiben eines zahntechnischen Labors sowie in der Herstellung von prothetischen Hilfsmitteln für die Zahnheilkunde besteht. Sie beschäftigt 4 Arbeitnehmer. Geschäftsführer beider Gesellschaften ist Herr K.

Im September 2001 wies die Antragsgegnerin ihren Mitarbeiter und damaligen Betriebsratsvorsitzenden D. an, zukünftig ausschließlich als Auslieferungsfahrer tätig zu werden. Der im Jahr 1960 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige und seit August 1977 bei der Antragsgegnerin beschäftigte Mitarbeiter A. übte in der Vergangenheit verschiedene Tätigkeiten für die Antragsgegnerin aus. Die letzten beiden Jahre war er ganz überwiegend in der Gipsabteilung beschäftigt.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Antragsgegnerin bilde mit der D. einen gemeinsamen Betrieb im Sinne von § 1 BetrVG, so dass der Schwellenwert des § 99 BetrVG überschritten sei. Bei Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes sei trotz des im Jahr 2001 erfolgten Austauschs des Tatbestandsmerkmals „Betrieb” durch das Merkmal „Unternehmen” in § 99 BetrVG weiterhin auf den Betrieb als Bezugsgröße abzustellen. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Zweck der Betriebsverfassungsrechtsreform, die eine Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung zum Gegenstand gehabt habe.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die gegenüber dem Mitarbeiter D. A. erteilte Weisung, künftig nur noch als Auslieferungsfahrer tätig zu sein, aufzuheben.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, auch bei einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen müsse nach der gesetzlichen Neuregelung in § 99 BetrVG ausschließlich auf das Unternehmen als Bezugsgröße zur Ermittlung des Schwellenwertes abgestellt werden. Der Wortlaut des Gesetzes sei insoweit eindeutig und verbiete eine letztlich rechtsfortbildende Auslegung im Sinne des Begehrens des Antragstellers.

Mit Beschluss vom 18.06.2002 hat das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben und eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers aus § 99 BetrVG bejaht. Zur Begründung hat es dabei im wesentlichen ausgeführt, die Auslegung des im Jahr 2001 geänderten § 99 BetrVG dürfe nicht allein auf den Normwortlaut abstellen. Vielmehr müsse insbesondere das gesetzgeberische Ziel der Sicherung einer möglichst effizienten betrieblichen Mitbestimmung beachtet werden. Dies führe zu dem Ergebnis, dass bei einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Kleinunternehmen nach wie vor der Betrieb die maßgebliche Bezugsgröße für die Ermittlung des Schwellenwertes von 20 Arbeitnehmern darstelle.

Gegen diesen ihr am 30.09.2002 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 30.10.2002 Beschwerde eingelegt und diese am Montag, den 02.12.2002 begründet. Sie hält die Argumentation des Arbeitsgerichts für unzutreffend und meint, das Arbeitsgericht habe die Grenzen der Auslegung überschritten und eine unzulässige Rechtsfortbildung vorgenommen. Der Gesetzgeber habe bei der Novellierung des § 99 BetrVG die Unterscheidung zwischen den Begriffen Unternehmen und Betrieb nicht aufgeben wollen. Vielmehr habe ein bewusster Austausch des Betriebsbegriffes durch den des Unternehmens stattgefunden. Dies zeige sich insbesondere daran, dass er in anderen Vorschriften, beispielsweise in § 9 Abs. 2 OWiG die Gleichsetzung von Betrieb und Unternehmen ausdrücklich angeordnet habe. Es fehle mithin offensichtlich an einer ausfüllungsfähigen Gesetzeslücke. Die hohen Anforderungen für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung seien nicht gegeben, da ...

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