Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot. böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs

 

Leitsatz (amtlich)

Ein in der Rechts- und Steuerabteilung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellter Rechtsanwalt, der einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegt, unterlässt während der Karenzzeit nicht dadurch böswillig anderweitigen Erwerb i. S. d. § 74 c Abs. 1 HGB, dass er über ein Zweitstudium im Ausland die Zusatzqualifikation „Master of Law” erwirbt.

 

Normenkette

HGB § 74c Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 18.09.2003; Aktenzeichen 3 Ca 478/03)

 

Tenor

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.09.2003 – 3 Ca 478/03 – wird zurückgewiesen.

2) Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3) Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger war laut Anstellungsvertrag vom 06.07.1999 bis zum 31.12.2002 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Rechts- und Steuerabteilung tätig. Er war, wie von § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages gefordert, als Rechtsanwalt zugelassen und nach § 8 Nr. 1 des Vertrages berechtigt, neben seiner Beschäftigung bei der Beklagten die anwaltliche Tätigkeit selbständig auszuüben.

In § 10 des Arbeitsvertrages hatten die Parteien eine Wettbewerbsklausel vereinbart. Diese lautet u.a. wie folgt:

  1. „Herr D verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf dem Gebiet der Steuerberatung in selbständiger oder unselbständiger Form tätig zu werden. Der örtliche Geltungsbereich des Verbots erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
  2. Für die Dauer des Verbots zahlt die E GmbH Herrn D als Entschädigung 50 % der zuletzt gewährten vertragsgemäßen Leistungen”.

Seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwirbt der Kläger durch ein Studium an der Universität von A /N die Zusatzqualifikation „Master of Law”. Nach vergeblicher Aufforderung, die Karenzentschädigung von monatlich 2.464,58 EUR zu zahlen, hat er die Beklagte verklagt mit den Anträgen,

an ihn

  1. 2.464,58 EUR brutto nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2003 zu zahlen,
  2. weitere 2.464,58 EUR brutto nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.03 sowie weitere 2.464,58 EUR brutto nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.03 zu zahlen,
  3. weitere 2.464,58 EUR brutto nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.03 sowie weitere 2.464,58 EUR brutto nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.03 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Kläger habe böswillig unterlassen, als Rechtsanwalt tätig zu sein, weil das Wettbewerbsverbot nur auf das Gebiet der Steuerberatung beschränkt sei. Er entziehe sich durch seinen Auslandsaufenthalt dem Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots und stehe dem deutschen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Im Übrigen erwerbe der Kläger nur eine nicht notwendige Zusatzqualifikation. Diese mache deutlich, dass er später nicht vorrangig auf dem Gebiet der Steuerberatung, sondern als Rechtsanwalt tätig sein wolle.

Das Arbeitsgericht hat die Klage bis auf einen Teil der Zinshöhe zugesprochen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf Bl. 70 ff d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 14.02.2003 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte am 10.11.2003 Berufung eingelegt, die am 11.12.2003 begründet worden ist. Unter Wiederholung früheren Vortrags meint sie weiterhin, der Kläger könne als Fachanwalt für Steuerrecht tätig sein. Er sei bereits ausreichend qualifiziert und betreibe kein berufsförderndes Studium. Die angestrebte Zusatzqualifikation habe für die Steuerberatung keine Bedeutung. Halte der Kläger sich nicht in Deutschland auf, fänden die §§ 74 ff HGB nach dem Territorialitätsprinzip keine Anwendung. Diese Vorschriften setzten voraus, dass der Kläger in Deutschland studiere und sich nicht dem deutschen Arbeitsmarkt entziehe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und hält die Rechtsauffassung der Beklagten für unzutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten haben die Parteien auf ihre im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Mit Recht hat das Arbeitsgericht der Klage auf Zahlung der Karenzentschädigung wegen des von den Parteien vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots stattgegeben. Das Berufungsgericht schließt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG an und beschränkt sich auf die folgenden Ergänzungen.

a) Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist der Kläger nicht verpflichtet, sic...

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