Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung; fristlos; Änderungskündigung; Vorbehaltsannahme; Widerruf der Vorbehaltsannahme; Versetzung; Arbeitsverweigerung; Rechtsirrtum; Auflösung; Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitnehmer muss nach einer Vorbehaltsannahme i. S. v. § 2 KSchG zunächst zu den geänderten Bedingungen arbeiten, wenn er Änderungsschutzklage erhebt, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Ob dies fristlos zu erfolgen hat, wenn die Änderungskündigung fristlos ausgesprochen wurde und der Arbeitnehmer in der Vorbehaltsannahme auf Einhaltung der Kündigungsfrist bestanden hat, brauchte nicht entschieden zu werden: Verweigert dies der Arbeitnehmer und beruht dies auf einem von ihm eingeholten anwaltlichen Rat, handelt er i. a. nicht fahrlässig; der damit vorliegende unverschuldete Rechtsirrtum kann der Wirksamkeit einer fristlosen Beendigungskündigung wegen Arbeitsverweigerung entgegenstehen.

2. Richtiger Ansicht nach bedarf es bei beiderseits gestellten Auflösungsanträgen keiner Prüfung der Auflösungsgründe.

3. Grundsätzlich besteht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Abmahnungsentfernungsanspruch mehr.

 

Normenkette

KSchG § 2; BGB § 626 Abs. 1, § 1004; ZPO § 85 Abs. 2 Fassung 1976-12-03

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 23.11.2000; Aktenzeichen 7 Ca 852/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.11.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 7 Ca 852/00 – teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 06.04.2000 nicht beendet wurde.
  2. Das Arbeitsverhältnis wird zum 30.06.2000 aufgelöst.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 29.150,00 DM zu zahlen.
  4. Die Berufung wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin Entfernung der Abmahnungen sowie 1.501,56 DM netto nebst Zinsen für die Zeit vom 06.10.–31.10.2000 beantragt.
  5. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
  6. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien – nämlich die beklagte GmbH und die seit September 1989 bei ihr beschäftigte, am 04.10.1969 geborene Klägerin – streiten zweitinstanzlich im wesentlichen noch um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 06.04.2000 (Bl. 66). Dieser vorausgegangen war eine ordentliche Kündigung vom 13.08.1999, die die Beklagte wegen krankheitsbedingter Ausfälle der Klägerin im Jahre 1999 ausgesprochen hatte und die vom Arbeitsgericht Aachen mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 01.02.2000 für unwirksam erklärt worden ist (4 Ca 4061/99). Etwa zwei Wochen nach Verkündung dieses Urteils, nämlich unter dem 16.02.2000, sprach die Beklagte eine fristlose Änderungskündigung mit der später bekannt gegebenen Begründung aus, aufgrund der krankheitsbedingten Ausfälle im zurückliegenden Jahr sei die Klägerin den neuen Anforderungen ihres Arbeitsplatzes nicht mehr gewachsen. Auch die Änderungskündigung wurde vom Arbeitsgericht Aachen für unwirksam erklärt – und zwar mit seinem insoweit rechtskräftig gewordenen Urteil vom 23.11.2000 (7 Ca 852/00). Auf die fristlose Änderungskündigung hatte der anwaltliche Vertreter der Klägerin unter dem 17.02.2000 geantwortet und um Mitteilung der Kündigungsgründe gebeten; zugleich erklärte er, die Klägerin nehme das mit der Änderungskündigung verbundene Angebot eines anderen Arbeitsvertrags„äußerst vorsorglich unter erklärtem Vorbehalt für den Fall an, daß die ausgesprochene fristlose Kündigung entgegen der derzeitigen Bewertung wirksam sein sollte.” Am 21.02.2000 nahm die Klägerin den neuen Arbeitsplatz ein und war vom folgenden Tag an Urlaubs- und krankheitsbedingt abwesend. Unter dem 29.02.2000 gab die Beklagte dem Klägervertreter die Kündigungsgründe bekannt, der daraufhin unter dem 03.03.2000 mitteilte,„die vorbehaltlich erklärte Annahme des Änderungsangebotes” werde nicht aufrechterhalten (Bl. 29). Sinngemäß wiederholte er dies unter dem 20.03.2000: Es bestehe keine Bereitschaft, zu den neuen Bedingungen zu arbeiten, zu den bisherigen Bedingungen werde die Arbeitskraft angeboten (Bl. 118). Vom darauf folgenden Tage an (21.03.2000) fehlte die Klägerin unentschuldigt. Nach Erteilung von zwei Abmahnungen unter dem 24. und 28.03.2000 (Bl. 80, 83) und einer Reaktion des Klägervertreters hierauf unter dem 30.03.2000 (Bl. 84) sprach die Beklagte die jetzt noch streitige fristlose (Beendigungs-) Kündigung aus mit der Begründung, nach der erklärten Annahme unter Vorbehalt hätte die Klägerin zunächst zu den neuen Bedingungen arbeiten müssen; ein einseitiger Widerruf der Vorbehaltserklärung sei nicht möglich. Das trotz zweier Abmahnungen fortgesetzte Fernbleiben vom Arbeitsplatz sei demnach als beharrliche Arbeitsverweigerung zu werten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel auch insoweit weiter und meint, keine wirksame Annahme unter Vorbehalt erklärt zu haben. Zudem habe ihr ein Zurückbehaltungsrecht zur Seite gestanden, weil die Änderungskündigung eine Versetzung...

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