Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Entscheidung in Matrixstruktur. Eingliederung eines IT-Mitarbeiters in zentrale Unternehmensstruktur

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Betriebsrat Zentrale hat ein Mitbestimmungsrecht bei einem IT-Supportteammitarbeiter, der in die Organisationsstruktur (Matrix) der Zentrale mit eingegliedert ist.

2. Bei der Eingliederung kommt es nicht darauf an, wo der weisungsberechtigte Vorgesetzte sitzt.

 

Normenkette

BetrVG §§ 3, 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1 S. 1, § 100

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 17.03.2021; Aktenzeichen 4 BV 36/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.03.2021 - 4 BV 36/20 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen im Konzern der D P D Group und erbringt Express- und Kurierdienstleistungen. Dazu unterhält sie operative Standorte im gesamten Bundesgebiet mit insgesamt weit mehr als 20 Arbeitnehmern. Gemäß § 2 eines zwischen der Arbeitgeberin und ver.di am 21.12.2004 abgeschlossenen und in der Fassung vom 06.12.2007 zum 01.01.2008 in Kraft getretenen "Tarifvertrages gemäß § 3 BetrVG" sind ein Spartenbetrieb für den Vertrieb sowie regionale Betriebe gebildet, darunter der Betrieb S und der Betrieb Zentrale, für die jeweils ein Betriebsrat gebildet wird. Wegen des näheren Inhalts des Tarifvertrages wird auf Blatt 206 bis 209 der Akte Bezug genommen.

Seit dem 01.01.2018 existiert im Unternehmen ein neues System zur Bearbeitung von IT-Problemen. IT-gestützte Remote-Zugriffe oder andere Zugriffe in die Software werden mittels eines Ticket-Systems bearbeitet. Seitdem bearbeiten die IT-Experten der Arbeitgeberin nicht nur Anfragen ihres jeweiligen Standortes. Die Steuerung erfolgt durch den Teamleiter "Delivery Management/IT Field Support" S K von dem Betrieb Zentrale in B aus. Ferner sind die IT-Experten in Projekte eingebunden, die ebenfalls von Herrn K koordiniert und gesteuert werden.

Zum 15.05.2020 schrieb die Arbeitgeberin die Stelle "Expert IT Field Support" aus. Ausweislich der Ausschreibung, in der als fachlicher Ansprechpartner Herr S K angegeben ist, war der ausgeschriebene Arbeitsplatz der Abteilung "Betrieb S " zugeordnet.

Mit Schreiben vom 26.08.2020 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat der B Zentrale, den Beteiligten zu 2, um Zustimmung zur Einstellung des Herrn M H als "Expert IT Field Support" in der Abteilung IT Servicemanagement für die "Zentrale B (Dienstsitz S )".

Der Betriebsrat Zentrale verweigerte die Zustimmung mit E-Mail-Schreiben vom 01.09.2020. Zur Begründung verwies er darauf, dass die beabsichtigte Einstellung Herrn H benachteilige, da er der Zentrale in B zugeordnet werden solle, obwohl sein Dienstsitz S sei. Wegen der Entfernung werde es ihm erschwert, sich an den Betriebsrat zu wenden. Auch gegenüber anderen Arbeitnehmern der Zentrale werde er benachteiligt, da kein System erkennbar sei, wonach die IT-Experten den Betrieben zugeordnet würden. Auch für ihn, den Betriebsrat Zentrale, sei es schwer zu erkennen, für welche Arbeitnehmer er zuständig sei. Dies führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer in der Fläche.

Am 02.09.2020 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat der Zentrale mit, dass sie die Einstellung von Herrn H zum 01.10.2020 vorläufig vornehme. Herr H werde kurzfristig benötigt, um den ordnungsgemäßen Betrieb insbesondere während der kritischen Phase des Starkverkehrs im Vorweihnachtsgeschäft zu gewährleisten. Zudem gestalte sich das Rekrutieren von geeigneten IT - Fachkräften sehr schwierig. Die Besetzung der Stelle sei absolut notwendig, da sich Herr H ansonsten anderweitig orientieren werde. Bei Nichtbesetzung könne weder sichergestellt werden, dass der Sendungsbetrieb bei IT-Ausfällen durch schnelle und professionelle Reaktion vor Ort aufrechterhalten werde, noch das kritische Infrastrukturprojekte rechtzeitig zum Starkverkehr in Betrieb genommen werden könnten.

Mit E-Mail-Schreiben vom 04.09.2020 bestritt der Betriebsrat Zentrale die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Maßnahme.

Mit ihrer am 07.09.2020 bei dem Arbeitsgericht B eingereichten Antragsschrift begehrt die Arbeitgeberin die Zustimmungsersetzung zur geplanten Einstellung des Herrn H sowie die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung.

Sie ist der Auffassung, dass Herr H der B Zentrale zugeordnet sei, da sein fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzter K , dort tätig sei. Zu dessen Aufgaben gehöre die Abarbeitung der über das unternehmensweit genutzte System "Global Service Now" eingehende IT-Support-Aufträge, die standortunabhängig per Fernwartung erledigt würden. Ein weiterer Bereich der Tätigkeiten von Herrn H umfasse die ebenfalls von Herrn K koordinierten Projektarbeiten. Vor Ort in S gebe es keine Führungskräfte, die gegenüber Herrn H weisungsbefugt seien.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

  1. die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung ...

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