Entscheidungsstichwort (Thema)

Errichtung einer ständigen Einigungsstelle in einer Rahmenbetriebsvereinbarung zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Teilunwirksamkeit einer Rahmenbetriebsvereinbarung. Zuständigkeitsprüfung der Einigungsstelle im Rahmen ihrer Vorabkompetenz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sieht eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle vor, führt die Rechtsunwirksamkeit einer Regelung, wonach der Einigungsstellenvorsitzende über eine Zuständigkeitsrüge allein im schriftlichen Verfahren entscheidet und dass die Feststellung der offensichtlichen Unzuständigkeit unanfechtbar ist, nicht zwangsläufig dazu, dass die Einigungsstelle nicht wirksam errichtet wurde.

2. Die Einigungsstelle hat in einem solchen Fall über ihre Zuständigkeit im Rahmen ihrer Vorabkompetenz selbst zu befinden; ein Antrag auf gerichtliche Bestellung des Vorsitzenden und auf Festlegung der Beisitzerzahl ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

 

Normenkette

ArbGG § 100; RBV Gefährdungsbeurteilung für das Kabinenpersonal § 13 Nr. 5 Fassung: 2017-06-23; TV PV für das Kabinenpersonal der G-GmbH § 76 Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 01.02.2019; Aktenzeichen 2 BV 11/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Personalvertretung gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 01.02.2019– 2 BV 11/19 – wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Arbeitgeberin ist eine Fluggesellschaft im Konzern der D AG. In Wahrnehmung der Ermächtigung des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat sie mit der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation e. V. den „Tarifvertrag Personalvertretung für das Kabinenpersonal der G GmbH“ (TV PV) geschlossen. Die Antragstellerin ist die auf Grundlage dieses Tarifvertrags gebildete Personalvertretung.

Im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens schlossen die Beteiligten am 23.06.2017 die „Rahmenbetriebsvereinbarung Gefährdungsbeurteilung für das Kabinenpersonal“ (RBV). Gemäß § 12 Nr. 1 RBV ist die Personalvertretung in allen Phasen der Gefährdungsbeurteilung zu beteiligen, wobei sich eine Detaillierung der einzelnen Stadien für die von den Betriebspartnern zu erstellende Gefährdungsbeurteilung aus der Anlage B zur Betriebsvereinbarung ergibt. Nach § 13 Nr. 1 RBV wird ein Gemeinsamer Ausschuss gebildet, der sich mit den Regelungsgegenständen der Vereinbarung befasst und durch Beschluss entscheidet. Kommt eine Mehrheitsentscheidung in dem Gemeinsamen Ausschuss nicht zu Stande, entscheidet gemäß § 13 Nr. 5 RBV die Einigungsstelle nach folgenden Regeln:

„Die Betriebspartner einigen sich auf eine Liste von möglichen Vorsitzenden (Anlage C) sowie darauf, dass die Einigungsstelle in der Regel mit je drei Beisitzern besetzt wird. Die Vorsitzenden werden in der Regel rollierend herangezogen. Ein Einsetzungsverfahren findet nicht statt, im Übrigen findet § 76 TV PV GWI Anwendung.

Rügt eine Seite die Zuständigkeit der Einigungsstelle, entscheidet der nach der Liste gemäß Ziffer 5 Abs. 1 zu benennende Vorsitzende innerhalb einer Frist von drei Wochen gemäß dem Prüfungsmaßstab des § 100 ArbGG im schriftlichen Verfahren.

Die Feststellung der offensichtlichen Unzuständigkeit ist für beide Seiten abschließend und für beide Seiten nicht anfechtbar.

Im Falle der Durchführung des Einigungsstellenverfahrens bleibt es jeder Seite vorbehalten, anstelle des berufenen Vorsitzenden den in der Liste nächstfolgenden Vorsitzenden zu wählen. In dem Einigungsstellenverfahren kann jede Seite die Zuständigkeiten rügen und den Spruch anfechten.“

Nachdem die Antragstellerin die Verhandlungen über Einleitung der eigentlichen Gefährdungsbeurteilung als gescheitert angesehen hatte, rief sie die Einigungsstelle an. Der auf Listenplatz Nr. 1 der Anlage C aufgeführte Vorsitzende erhob daraufhin Bedenken hinsichtlich der Rechtswirksamkeit von § 13 Nr. 5 RBV, da die Einigungsstelle im Betriebsverfassungsrecht nur als Gremium nach mündlicher Verhandlung über ihre Zuständigkeit entscheiden dürfe. Auch sei der Ausschluss der Anfechtbarkeit eines die Zuständigkeit der Einstellung ablehnenden Beschlusses im Betriebsverfassungsrecht rechtsunwirksam. Nach Darstellung der Antragstellerin regte der designierte Vorsitzende in einem Telefonat an, die Einigungsstelle gerichtlich einsetzen zu lassen.

Daraufhin schlug die Antragstellerin der Arbeitgeberin eine einvernehmliche Einberufung der Einigungsstelle vor. Nachdem die Arbeitgeberin dies abgelehnt hatte, machte die Antragstellerin bei dem Arbeitsgericht Köln ein Einsetzungsverfahren anhängig (Arbeitsgericht Köln 17 BV 400/18). Im Anhörungstermin wies die Vorsitzende darauf hin, dass das in der RBV vorgesehene Prozedere nicht eingehalten sei. Eine „nicht zu Stande gekommene Mehrheitsentscheidung“ sei nicht ersichtlich. Daraufhin schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach sie in einer Sitzung des gemeinsamen Ausschusses die in der Anlage B zur RBV festgelegten Schritte in der dort vorgegebenen Reihenfolge abarbeiten wollten.

Nachdem nach mehreren Sitzu...

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