Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariffähigkeit. Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste (GNBZ)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste (GNBZ) ist keine tariffähige Gewerkschaft.

2. Zur Tarifautonomie gehört das Recht einer Gewerkschaft, den bislang für die Arbeitnehmer einer Branche erzwungenen Tariflohn auch bei neu entstandenen Konkurrenzunternehmen durchzusetzen. Sie handelt nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie die Tariffähigkeit einer konkurrierenden Gewerkschaft, die mit neu entstandenen Konkurrenzunternehmen einen niedrigeren Tariflohn vereinbart hat, in einem Verfahren nach § 97 ArbGG überprüfen lässt.

 

Normenkette

TVG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 30.10.2008; Aktenzeichen 14 BV 324/08)

 

Tenor

1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und des Beteiligten zu 8) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2008 – 14 BV 324/08 – werden zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Tariffähigkeit der Beteiligten zu 2).

Antragstellerin und Beteiligte zu 1) ist die V. D. (v.). Sie beansprucht nach ihrer Satzung bundesweit die Interessenvertretung ihrer derzeit ca. 2,3 Millionen Mitglieder, darunter auch Betriebe, Unternehmen, Konzerne und Einrichtungen, deren hauptsächliche Betätigung sich auf Bereiche erstreckt, die herkömmlich zu den Aufgaben der ehemaligen D. B oder deren Teilunternehmen gehörten.

Die Antragstellerin schloss am 29. November 2007 mit dem A. P. e. V. (A.) einen „Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste (TV Mindestlohn)”, der sich auf alle Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, erstreckt. Er sieht einen Mindestbruttolohn von EUR 9,00 pro Stunde in den neuen Bundesländern und von EUR 9,80 pro Stunde in den alten Bundesländern für Briefzusteller vor. Durch die nach § 1 Abs. 3 a AEntG am 28. Dezember 2007 erlassene und am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das als Beteiligte zu 5) an dem Rechtsstreit teilnimmt, über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche B. (B.) finden die Normen dieses Tarifvertrags auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Diese Rechtsverordnung ist Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in seinem Urteil vom 18. Dezember 2008 – 1 B 13.08 – ausgeführt, die Verordnung verstoße wegen Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung in § 1 Abs. 3 a AEntG gegen den Gesetzvorbehalt nach Art. 80 GG. Zudem sei bei Erlass der Verordnung gegen die Vorschrift über die Anhörung betroffener Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 a S. 2 AEntG verstoßen worden. Es hat die Revision zugelassen.

Einen mit dem TV Mindestlohn gleichlautenden Tarifvertrag schloss der A. mit der Tarifgemeinschaft C. G. P. und T. (C.) und Kommunikationsgewerkschaft D. (D.), der Beteiligten zu 7).

Die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2), die G. der N B – und Z. (G.), wurde am 8. Oktober 2007 gegründet.

Ihre Satzung vom 8. Oktober 2007 lautet auszugsweise wie folgt:

㤠2 Zweck, Aufgabe

2.1 Zweck der G. ist der Zusammenschluss des Personals der privaten Brief- und Zeitungszusteller im Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland …

2.4 Die wesentlichen Ziele der G. sind die Mitwirkung am Wohl der privaten Brief- und Zeitungszustellungsunternehmen sowie die Wahrung und Verfolgung der berufspolitischen und tariflichen Interesen ihrer ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder. Die Ziele sollen insbesondere erreicht werden durch:

2.4.1 Einwirkung auf die Gesetzgebung, im Besonderen in den Bereichen der Ausbildung und Einsatzbedingungen von privaten Brief- und Zeitungszustellern betreffenden Regelungen,

2.4.2 Mitbestimmung bei der Gestaltung der Arbeits- und Gehaltsbedingungen, insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen in allen Betrieben der private Brief- und Zeitungszustellung unter Anwendung der zur Verfügung stehenden Mittel,

2.4.3 Sicherung der Mitbestimmungsrechte in allen wirtschaftlichen und sozialen Fragen und Vertretung der Arbeitnehmerinteressen des Personals der privaten Brief- und Zeitungszusteller in den für die Wirtschaft bestehenden oder noch einzurichtenden Körperschaften,

2.4.4 Mitwirkung bei der Wahl der Betriebsvertretungen für das Personal der privaten Brief- und Zeitungszustellung und deren Unterstützung in der Erfüllung ihrer Aufgaben und Befugnisse im Rahmen der gesetzlichen Mitbestimmung,

2.4.5 Weiterentwicklung des allgemeinen und beruflichen Bildungswesens für private Brief- und Zeitungszusteller und Sicherung der Mitbestimmung in allen dafür vorgesehenen Einrichtungen,

2.4.6 verbandliche Schuldung der Mitglieder,

2.4.7 Information der Öffentlichkeit über die berufspolitische, sozialpolitische und wirtschaftliche Lage der p...

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