Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Bestellungsverfahren. Unterlagen für Wirtschaftsausschuss. Betriebs- und Geschäftsgeheimnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle kann der Antrag auf Einrichtung einer Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Dies bedeutet, dass ein Antrag nur dann zurückgewiesen werden kann, wenn offensichtlich ist, dass das vom Beteiligten zu 1) in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht nicht gegeben ist (BAG vom 06.12.1983, AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972, Überwachung). Die fachkundige Beurteilung durch das Gericht muss somit sofort erkennbar machen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommen kann.

2. Eine Einigungsstelle zur Regelung der Streitfrage, ob dem Betriebsrat Unterlagen die sog. Mittelfristplanung und den sog. Management-Report betreffend vorzulegen sind, war einzurichten. Zweck der dem Unternehmen nach § 106 Abs. 2 BetrVG auferlegten Verpflichtung, den Betriebsrat über wirtschaftliche Angelegenheiten unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, ist es, dem Wirtschaftsausschuss die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, damit dieser gleichberechtigt die in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden wirtschaftlichen Angelegenheiten mit dem Unternehmer beraten kann. Sinn dieser Beratung ist es wiederum, auf die Entscheidungen des Unternehmens in wirtschaftlichen Angelegenheiten Einfluss nehmen zu können (BAG, Beschluss vom 08.08.1989 – 1 ABR 61/88 – AP Nr. 6 zu § 106 BetrVG 1972). Daher sind auch die von der Beteiligten zu 2) als „Vorfeldunterlagen” bezeichneten Unterlagen der sog. Mittelfristplanung und der sog. Management-Report solche des Mitbestimmungsfeldes nach § 106 Abs. 2 BetrVG. Gegenstand der Mittelfristplanung ist nämlich gerade eine Zusammenstellung unternehmensrelevanter Daten einschließlich sich daraus ergebender Auswirkungen. Der Management-Report dient eigener Einlassung der Beteiligten zu 2) Überlegungen zur Steuerung des Geschäftsfeldes der Beteiligten zu 2). Im jährlichen Geschäftsverlauf vermag angesichts dieser Umstände nicht angenommen zu werden, es handele sich um reine Unverbindlichkeiten ohne jede Relevanz.

3. Die Prüfung der Frage, ob objektiv sachliche Interessen an der völligen Geheimhaltung bestimmter Tatsachen wegen einer ansonst zu befürchtenden Gefährdung des Bestandes oder der Entwicklung des Unternehmens bestehen und deshalb der Vorlage der Unterlagen der sog. Mittelfristplanung und des sog. Management-Reports entgegenstehen, war der Prüfung der Einigungsstelle selbst vorzubehalten.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Beschluss vom 29.10.2003; Aktenzeichen 2 BV 119/03)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 29.10.2003 – 2 BV 119/03 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um die Bestellung einer Einigungsstelle, mit welcher der Beteiligte zu 1) die Verpflichtung der Beteiligten zu 2) erreichen will, dem im Unternehmen bestehenden Wirtschaftsausschuss die sog. Mittelfristplanung sowie den sog. Management-Report des Projektfeldes Print-Com vorzulegen.

Bezüglich beider Unterlagen macht die Beteiligte zu 2) geltend, dass die von der Beteiligten zu 1) beantragte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei.

Die vom Beteiligten zu 1) zur Vorlage des Wirtschaftsausschusses begehrten Unterlagen beträfen nicht den Zuständigkeitskatalog des Wirtschaftsausschusses gemäß § 106 BetrVG; jedenfalls sei die Einigungsstelle deshalb offenkundig unzuständig, weil der Beteiligte zu 1) mit der Vorlage der begehrten Unterlagen an den Wirtschaftsausschuss ein Verlangen stelle, das offensichtlich die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährde.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 29.10.2003 zum Vorsitzenden einer im Unternehmen der Beteiligten zu 2) zu bildenden Einigungsstelle betreffend die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen – sog. Mittelfristplanung sowie Management-Report des Projektfeldes Print-Com – den Richter am Arbeitsgericht Köln, W., bestellt und die Zahl der Beisitzer auf zwei für jede Seite festgesetzt.

Gegen diesen am 05.11.2003 zugestellten Beschluss erster Instanz wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer Beschwerde vom 19.11.2003, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 19.11.2003, die die Beteiligte zu 2) gleichzeitig begründet.

Die Beteiligte zu 2) weist unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags darauf hin, dass das Arbeitsgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die von dem Beteiligten zu 1) begehrte Einigungsstelle nicht offenkundig unzuständig sei.

Bei den Unterlagen, hinsichtlich derer der Beteiligte zu 1) Unterrichtung verlange, handele es sich um Unterlagen der Beteiligten zu 2), die im Vorfeld relevanter Entscheidungen lägen. Richtig sei zwar, dass der Management-Report der Geschäftsführung zur Steuer...

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