Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleich. Streitwert. Streitgegenstand. Vergleichsmehrwert. Freistellung. Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Streitwertbeschlüsse nach § 33 RVG sind förmlich zuzustellen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, §§ 329 II, III ZPO, 9 V ArbGG.

2. Stellt der Arbeitnehmer in einer Kündigungsschutzklage einen (Weiter-) Beschäftigungsantrag, der sich (auch) gegen eine Freistellung während der Kündigungsfrist richtet, sind dafür regelmäßig zwei Bruttomonatseinkommen als Streitwert anzusetzen.

3. Wird in einem solchen Fall die Freistellungsfrage später vergleichsweise geregelt, liegt darin schon deshalb kein Vergleichsmehrwert begründet, weil die Freistellung bereits Gegenstand des Verfahrens ist.

4. Einigen sich die Parteien eines Bestandsschutzprozesses vergleichsweise auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem in der Zukunft gelegenen Zeitpunkt gegen Zahlung einer Abfindung, so löst eine dies ergänzende Regelung, wonach dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt wird, das Arbeitsverhältnis gegen Erhöhung der vereinbarten Abfindung vorzeitig zu beenden, keinen Vergleichsmehrwert aus.

5. Zu allgemeinen Grundsätzen der Streitwertfestsetzung.

 

Normenkette

RVG § 33; ArbGG § 9 Abs. 5; ZPO § 329

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 30.09.2010; Aktenzeichen 10 Ca 4547/09)

 

Tenor

Auf die Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers hin wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.09.2010 in Sachen 10 Ca 4547/09 teilweise wie folgt abgeändert:

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 17.608,95 EUR festgesetzt, der Streitwert für den Vergleich vom 13.08.2009 auf 22.260,74 EUR.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Der Beschwerdeführer vertrat in dem Verfahren Arbeitsgericht Köln 10 Ca 4547/09 einen Kläger, der seit 1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in einem Arbeitsverhältnis stand, zuletzt als Verkaufsberater beschäftigt wurde und ein monatliches Einkommen in Höhe von durchschnittlich 3.521,79 EUR brutto erzielte. Die Beklagte des Rechtsstreits hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.04.2009 zum 31.10.2009 aus betriebsbedingten Gründen gekündigt und den Kläger bereits mit Wirkung ab 01.08.2009 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung einseitig freigestellt. In seiner Klage wandte sich der Kläger zum einen gegen die Kündigung und machte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend, zum anderen beantragte er, die Beklagte zu verurteilen, ihn als Verkaufsberater „über den 31.07.2009 hinaus” zu beschäftigen. In der Klagebegründung machte der Kläger nicht nur die Unwirksamkeit der Kündigung geltend, sondern wandte sich ausdrücklich auch gegen die ab dem 01.08.2009 erklärte Freistellung von der Arbeitspflicht.

Der Rechtsstreit endete, ohne dass es eines Gütetermins bedurft hätte, durch einen von dem Klägervertreter mit Vertretern der Beklagten außergerichtlich ausgehandelten, dem Arbeitsgericht Köln sodann mitgeteilten und von diesem mit Beschluss vom 13.08.2009 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich. Auf den vollständigen Inhalt des Vergleichs wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 30.09.2009 setzte das Arbeitsgericht Köln den Gegenstandswert für das Verfahren und den Vergleich auf 14.087,16 EUR fest. Gegen den nach Aktenlage formlos und ohne Rechtsmittelbelehrung übersandten Streitwertbeschluss, der dem Beschwerdeführer nach dessen eigenen Angaben am 06.10.2009 zuging, legte dieser am 23.10.2009 Beschwerde ein. Eine Abhilfe erfolgte nicht.

Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift und die weiteren während des Beschwerdeverfahrens nachgereichten Schriftsätze wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II. A. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig.

Zwar handelt es sich vorliegend „an sich” um eine Angelegenheit nach § 33 RVG; denn da im erstinstanzlichen Verfahren keine Gerichtsgebühren angefallen sind, war insoweit auch kein Gegenstandswert festzusetzen. Da das Arbeitsgericht sich in seinem Beschluss vom 30.09.2009 insoweit aber zumindest missverständlich ausgedrückt hat „(Rechtsanwalt- und Gerichtsgebühren)” und seinen Beschluss überdies entgegen § 9 Abs. 5 ArbGG nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen hat, kann es nicht darauf ankommen, dass die Beschwerde an § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG gemessen verspätet erhoben wurde.

B. Die Streitwertbeschwerde ist teilweise auch begründet.

1. Der Verfahrensstreitwert war entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts antragsgemäß auf 17.608,95 EUR festzusetzen. Das ist der Gegenwert von fünf Bruttomonatseinkommen des Klägers. Der Beschwerdeführer beanstandet in der vorliegenden Fallkonstellation zu Recht, dass der Beschäftigungsantrag zu 3) aus der Klageschrift vom 13.05.2009 nur mit einem und nicht mit zwei Bruttomonatseinkommen bewertet wurde.

Es entspricht der ständigen jüngeren Bezirksrechtsprechung, dass ein sogenannter (Weiter-)beschäftigungsantrag dann mit zwei Bruttomonatseinkommen des jeweiligen Klägers zu bewerten ist, wenn ...

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