Entscheidungsstichwort (Thema)

Befangenheit, Vorsitzender Einigungsstelle, Antragsbefugnis, Beendigung des Einigungsstellenverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das besondere Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG betrifft Entscheidungen über die Besetzung der Einigungsstelle und im Hinblick auf seine Anwendung auf Befangenheitsfälle der Abberufung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle.

2. Antragsbefugte Beteiligte für dieses Verfahren sind die Betriebspartner als Träger der Mitbestimmungsrechte, die durch die Einigungsstelle geregelt werden sollen. Dies sind auf der einen Seite der Arbeitgeber bzw. der Unternehmer und auf der anderen Seite der Betriebsrat oder der Gesamtbetriebsrat.

3. Die von den Mitbestimmungspartnern in die Einigungsstelle berufenen Beisitzer der Einigungsstelle werden durch ihre Bestellung nicht Träger des Mitbestimmungsrechts und sind daher für die Geltendmachung von Befangenheitsgründen gegenüber dem Vorsitzenden der Einigungsstelle in dem hierfür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren nicht antragsbefugt. Diese Antragsbefugnis ist eine von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Prozessvoraussetzung, bei deren Fehlen der gestellte Antrag als unzulässig abzuweisen ist (vgl. BAG 27.11.1973, APNr. 4 zu § 40 BetrVG 1972; vom 15.08.1978, APNr. 1 zu § 23 BetrVG 1972; vom 25.08.1981 APNr. 2 zu § 83 ArbGG 1979; vom 31.01.1989 EzA § 81 ArbGG 1979 Nr. 14).

4. Der Gesamtbetriebsrat ist als Träger eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 BetrVG grundsätzlich antragsbefugt für einen Antrag auf Ablösung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle im Verfahren nach § 98 ArbGG. Er kann dieses Verfahren allerdings dann nicht mehr anhängig machen, wenn das Verfahren vor der Einigungsstelle bereits durch Spruch beendet ist. In diesem Fall ist der im Verfahren nach § 98 ArbGG geltend gemachte Antrag als unzulässig zurückzuweisen (entsprechende Anwendung dieser für das über die Ablehnung eines Schiedsrichter anhängig gemachte Verfahren entwickelten Grundsätze des BGH, Urteil vom 12.12.1963 BGHZ 40, 342, 343).

5. Ergibt sich in einem solchen Fall, dass aus den Gründen des Zeitablaufs eine frühere Möglichkeit der Geltendmachung der Befangenheitsgründe nicht bestanden hat, so ist nunmehr über die Frage der Berechtigung eines Befangenheitsgrundes allein im Anfechtungsverfahren den Spruch der Einigungsstelle betreffen zu befinden (so für das Schiedsverfahren BGH Urteil vom 12.12.193 a.a.O.; Musielak-Voit ZPO 2. Aufl. § 1037 Rn 5 m.w.N.).

 

Normenkette

ArbGG § 98; ZPO § 1037 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Aktenzeichen 10 BV 121/00)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.08.2000 – 10 BV 121/00 – wird zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) begehren im vorliegenden Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG die Feststellung, dass der Vorsitzende der bei der Beteiligten zu 3) eingerichteten Einigungsstelle zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung, Herr Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a. D. Dr. h. c. als befangen abgelehnt ist und beantragen weiter den Vorsitzenden der Einigungsstelle von seinem Amt abzuberufen.

Der Beteiligte zu 1) ist der im Unternehmen der Beteiligten zu 3) errichtete Gesamtbetriebsrat, die Beteiligten zu 2) sind die Arbeitnehmerbeisitzer der gebildeten Einigungsstelle betreffend Regelungen über die Änderung der betrieblichen Altersversorgung.

Die Beteiligte zu 3) ist das Unternehmen, für welches die in der Einigungsstelle zu verhandelnden Regelungen der betrieblichen Altersversorgung gelten sollen.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 28.07.1999 – 15 BV 126/99 – hat das Arbeitsgericht Köln auf Antrag der Beteiligten zu 3) eine Einigungsstelle zur Regelung der betrieblichen Altersversorgung eingerichtet und als Vorsitzenden, Herrn Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht a. D. Dr. h. c. S. eingesetzt.

Die Einigungsstelle tagte am 11. und 12.11., 24.11., 15.12.1999, 12.01.2000 sowie 09.05.2000.

Unter dem 11.11.1999 erging ein sog. Zwischenbeschluss der Einigungsstelle, mit welchem diese ihre Zuständigkeit zur Änderung der bis dato geltenden Versorgungssysteme bejahte.

Mit Beschluss vom 12.01.2000 traf die Einigungsstelle eine Regelung, wonach die bisherigen Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung mit Wirkung vom 31.12.1999 abgelöst werden und an deren Stelle eine noch zu formulierende Betriebsvereinbarung tritt, die die bisherige Altersversorgung durch ein viergliedriges System ersetzt, welches im einzelnen genannten Voraussetzungen genügen muss.

Am 09.05.2000 trat die Einigungsstelle neuerlich zusammen.

Zu Beginn dieser Sitzung lehnten die Beteiligten zu 2) den Vorsitzenden der Einigungsstelle wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Die Ablehnung stützt sich dabei im wesentlichen auf folgende Punkte:

  • Der Vorsitzende der Einigungsstelle habe auf den 09.05.2000 eine weitere Sitzung der Einigungsstelle terminiert, obwohl bereits unter dem 12.01.2000 die Einig...

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