Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsfähigkeit eines 11 km vom Hauptbetrieb entfernten Betriebsteils

 

Leitsatz (amtlich)

Auch ein ca. 11 km vom Hauptbetrieb entfernter Betriebsteil kann bei langen Fahrtzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sein.

 

Normenkette

BetrVG § 4 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 01.08.2014; Aktenzeichen 19 BV 305/13)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 17.05.2017; Aktenzeichen 7 ABR 21/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 01.08.2014- 19 BV 305/13 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Produktionsstandort der Antragstellerin und Beteiligten zu 1) im Chemiepark K selbstständig betriebsratsfähig ist oder nicht.

Die Beteiligte zu 1) stellt Kunststoffrohstoffe her. Sie gehört zu der Unternehmensgruppe L Industrie, einem der weltweit größten Konzerne auf dem Gebiet Polymere, Petrochemie und Kraftstoffe. Die für die L -Gruppe wesentlichen konzernleitenden Entscheidungen werden in der Konzernzentrale in R und von der Leitung in H -T , U (dort ansässig sind der C sowie die meisten Mitglieder der Konzernleitung) getroffen. Dort werden auch die Entscheidungen über die sog. Headcounts, für Erträge und Produktivität von Standorten getroffen. Ebenso ist die Budgetierung für die Personalplanung und das konzernweite Bonussystem mit der Muttergesellschaft in H abzustimmen. Dementsprechend bedarf es bei einer Stellenbesetzung der Genehmigung der Muttergesellschaft. Die Antragstellerin unterhält am Standort W seit 1955 Produktions- und Verwaltungseinrichtungen. Der Standort K wurde im Jahre 2000 im Rahmen des Zusammenschlusses der Unternehmen E GmbH, T GmbH und M Teil der Unternehmensgruppe.

Aktuell sind an beiden Standorten Betriebsräte gebildet. Der Beteiligte zu 2) ist der am Standort K gebildete Betriebsrat, der Beteiligte zu 3) der Betriebsrat am Standort W

Am Standort W beschäftigt die Beteiligte zu 1) 1536 Mitarbeiter, in K 152. In W befinden sich neben 8 Produktionsanlagen zur Herstellung von Polymeren und Monomeren u. a. die zentrale Personalverwaltung für beide Standorte. Wegen der hierarchischen Einordnung der in W ansässigen zentralen Personalabteilung wird auf das Organigramm Anlage KV 16 = Bl. 350 d. A.) Bezug genommen. Die zentrale Personalabteilung wird von Herrn S geleitet. Herr S unterzeichnet - auch für den Standort K - sämtliche das Personal betreffenden Verträge, Abmahnungen und Kündigungen. Die von ihm geleitete Personalabteilung führt die Einstellungen, Befristungsabreden, Versetzungen, Abmahnungen, Kündigungen nach Absprache mit dem jeweiligen Vorgesetzten durch. Nach Behauptung des Beteiligten zu 2) werden Umgruppierungen von den Vorgesetzten entschieden. Nach seiner Behauptung wird auch die bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern auf Vorlage der Fachabteilung in K von ihm, dem Beteiligten zu 2), das Mitbestimmungsverfahren durchgeführt, nach Vortrag der Antragstellerin wird der Beteiligte zu 2) in diesen Fällen - soweit K betroffen ist - von der Personalabteilung bei Entscheidungen nach § 99 und 102 BetrVG beteiligt. Die drei nach Eingliederung des Standortes K für diesen abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen (Einzelheiten s. Bl. 308 d. A.) sind von Herrn S und dem Werksleiter G auf Arbeitgeberseite unterzeichnet. Am Standort K werden auch noch vor dessen Eingliederung abgeschlossene Betriebsvereinbarungen und Regelungsabsprachen durchgeführt.

In K werden 2 Anlagen zur Herstellung von Polymeren betrieben. Nach im Wesentlichen unwidersprochener Darlegung des Beteiligten zu 2) arbeiten diese mit anderen technischen Verfahren als die Anlagen in W . Jede dieser Produktionsanlagen - unabhängig vom Standort in K oder in W - ist "relativ geschossen", indem dort relativ verselbständigte Produktionsabläufe mit einem fest zugeordneten Kreis von Produktionsmitarbeitern stattfinden. Mitarbeiter an beiden Standorten haben zum Teil gemeinsame Vorgesetzte, so den für Safety & Environment & Quality zuständigen Herrn T M (vgl. insoweit das zugehörige Organigramm Bl. 348 d. A.), den Leiter der Maintenance and Engineering Abteilung Herrn R M , den Leiter der Supply Chain-Abteilung einschließlich Logistik Herrn V den Leiter der Abteilung Site Controlling Herrn F . Einzelne Mitarbeiter dieser Abteilungen betreuen schwerpunktmäßig die Produktionsanlagen in K oder in W . Sie berichten indes jeweils an einen einheitlichen Abteilungsleiter, der in W sitzt. Entsprechendes gilt für die Personalabteilung. Als Werksleiter für W und K ist Herr G zuständig. Hinsichtlich der Funktionen Herrn G und der ihm unterstellten Abteilungen wird auf das Organigramm BR-K 13 (Bl. 183 d. A.) Bezug genommen. Dort erscheint als Herrn G unterstellt mit "Operations K " der "Manager K Operations" Herr Dr. L . Auch er berichtet an den Werksleiter Herrn G .

Im Rahmen von Anlagenschließungen kam es zu einem gr...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge