Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung. Vollmachtsurkunde. Personalleiter. Zurückweisung. unverzüglich. HR Direktor. Prokura. Gesamtprokura

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zurückweisung einer Kündigung ist nach § 174 S. 2 BGB nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie von einem Personalleiter ausgesprochen worden ist, sofern der Kündigungserklärungsempfänger vom Vollmachtgeber nicht darüber in Kenntnis gesetzt worden ist, dass der Kündigende der Personalleiter ist. Der Zusatz „HR Direktor” unter der Unterschrift des Personalleiters auf dem Kündigungsschreiben ersetzt das Inkenntnissetzen durch den Vollmachtgeber i.S.d. § 174 S. 2 BGB nicht.

 

Normenkette

BGB § 174; HGB §§ 48, 53, 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 01.10.2008; Aktenzeichen 1 Ca 749/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.10.2008 – 1 Ca 749/08 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit zweier Kündigungen. Mit einem am 14.03.2008 zugegangenen Schreiben vom 12.03.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des mit einem Grad von 60 schwerbehinderten, bei ihr seit dem 27.11.1991 beschäftigten Klägers nach zuvor erfolgter Zustimmung des Integrationsamtes vom 25.02.2009. Das Kündigungsschreiben wurde ohne Beifügung einer Vollmacht vom Gesamtprokuristen K2, der in der Niederlassung der Beklagten in O1 tätig ist, und vom Werkleiter S5 wie folgt unterzeichnet:

(Unterschrift) (Unterschrift)

ppa. J2 K2 i.V. R2 S5

HR Direktor Werkleiter

Der Kläger ließ die Kündigung mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.03.2008 postalisch und per Telefax mangels Vorlage einer Vollmacht zurückweisen. Vor Ausspruch einer weiteren Kündigung vom 27.03.2009, die von den Geschäftsführern der Beklagten unterzeichnet worden war, hörte die Beklagte den bei ihr eingerichteten Betriebsrat nicht erneut an. Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 01.10.2008 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 12.03.2008 noch durch diejenige vom 27.03.2008 aufgelöst worden ist. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, den Kläger als Maschinenführer weiter zu beschäftigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die Kündigung vom 12.03.2008 sei aus den Gründen des § 174 BGB unwirksam. Der Kläger habe die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Mitarbeiter K2 Gesamtprokura erteilt sei. Es könne offen bleiben, ob der Mitarbeiter K2 zum Leiter der Personalabteilung berufen worden sei. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass ein Personallabteilungsleiter zum Ausspruch von Kündigungen befugt sei. Doch reiche alleine dessen Bestellung nicht aus. Der gekündigte Arbeitnehmer müsse davon auch Kenntnis haben. Dies sei hingegen nicht der Fall gewesen. Zwischen den Parteien sei unstreitig geblieben, dass der Kläger weder persönlich noch als Mitarbeiter im Betrieb in E1 in allgemein gehaltener Form über die Kündigungsbefugnis des Mitarbeiters K2 oder über dessen Personalleiterposition informiert worden sei. Eine Kenntnisverschaffung i.S.d. § 174 S. 2 BGB liege letztlich auch nicht darin, dass der Mitarbeiter K2 mit dem Zusatz „HR Direktor” unterzeichnet habe. Unabhängig davon, ob mit dieser Bezeichnung im Arbeitsleben üblicherweise die Funktion des Personalabteilungsleiters verbunden werde, sei dem Kläger dies erstmals mit dem Kündigungsschreiben zur Kenntnis gegeben worden. Zur zunächst behaupteten alleinigen Kündigungsbefugnis des Mitarbeiters S5 habe die Beklagte trotz des Bestreitens des Klägers nicht ergänzend vorgetragen. Die Rechtswirksamkeit der zweiten Kündigung vom 27.03.2008 scheitere daran, dass der Betriebsrat vor dieser Kündigung nicht erneut angehört worden sei, § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG.

Gegen das der Beklagten am 10.10.2008 zugestellte Urteil richtet sich deren am 29.10.2008 eingegangene Berufung vom 28.10.2008, die sie innerhalb der bis zum 10.01.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 08.01.2009 wie folgt begründet hat:

Die Kündigung vom 12.03.2009 sei wirksam. Die Berufung eines Mitarbeiters in die Personalleiterstellung begründe für diesen die Befugnis, Kündigungen auszusprechen. Sofern für erforderlich gehalten werde, diesen Umstand bekannt zu geben, sei dem dadurch entsprochen worden, dass das Kündigungsschreiben den Hinweis „HR Direktor” enthalten habe. Dem Kläger habe damit bewusst sein müssen, dass die Kündigung vom Personalleiter unterzeichnet worden sei. Es sei nicht erforderlich, dass sie, die Beklagte, den Kläger durch ihre Organe von der Personalleiterstellung des Mitarbeiters K2 in Kenntnis setze. Es reiche aus, geschehe dies zeitgleich mit der Kündigung auf einem ihrer üblichen Geschäftsbögen durch...

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