Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentliche Kündigungwegen Erstattung einer Strafanzeige

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erstattet ein Arbeitnehmer leichtfertig und wahrheitswidrig Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber, so begeht er damit eine schwere Vertragspflichtverletzung, die die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen kann.

2. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt nicht schon mit Kenntnisnahme von ersten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines wichtigen Grunds für eine fristlose Kündigung, sondern erst mit Kenntnisnahme der genauen Umstände, die letztlich Anlass für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung waren.

 

Normenkette

BGB § 626; BetrVG §§ 102-103

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Urteil vom 09.05.2003; Aktenzeichen 4 Ca 2237/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 09.05.2003 – 4 (3) Ca 2237/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Berufungsverfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 14.01.1961 geborene Kläger war seit dem 03.02.1992 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Küchenmöbelindustrie mit ca. 600 Mitarbeitern, als Betriebsschlosser zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 2.200,00 EUR tätig.

Der Kläger war Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrates.

Seit Jahren gab es im Betrieb der Beklagten Auseinandersetzungen sowohl innerhalb des Betriebsrates wie auch zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der Beklagten. Am 05.02.2002 kam es zu einem Gespräch zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten und sechs Betriebsratsmitgliedern, unter ihnen der Kläger. In diesem Gespräch ging es unter anderem um ein nicht anwesendes Betriebsratsmitglied, den Staplerfahrer F3xxx, mit dem sich auch aus der Sicht der anwesenden Betriebsratsmitglieder eine Zusammenarbeit schwierig gestaltete. Im Rahmen dieses Gespräches äußerte der Geschäftsführer der Beklagten, Herr H4xxx F1xxxxxxxx, sinngemäß: „Der F3xxx muss weg, das ist mir 100.000,00 wert.” Anschließend wandte er sich an den Kläger mit der Äußerung: „Herr S1xxxxxxxxx, Sie können doch Stapler fahren.” Weitere Einzelheiten des Gespräches sind zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 09.04.2002 erstattete Herr U1x W2xxxxxx, der in der Vergangenheit als Berater und Sachverständiger für den Betriebsrat der Beklagten tätig war und auch als Seminarveranstalter für Betriebsratsschulungen auftrat, Strafanzeige gegen Herrn V2xxxx S4xxxxxxxxx, einen leitenden Mitarbeiter der Beklagten, wegen Anstiftung zur „Beseitigung” des Betriebsratsmitglieds F3xxx – StA Bielefeld 46 Js 270/02 –.

Am 28.06.2002 erstattete der Kläger Strafanzeige u.a. wegen Aufforderung zur Urkundenfälschung – StA Bielefeld 46 Js 421/02 –. In der Strafanzeige vom 28.06.2002 ist u.a. ausgeführt:

„…

Mir ist bekannt, dass Herr U1x W2xxxxxx am 9.4.2002 Strafanzeige erstattet hat. In dieser Strafanzeige geht es darum, dass Herr W2xxxxxx von einem GL der Fa. H2xxxx K1xxxx GmbH & Co. am 1.12.2001 aufgefordert worden ist, das Verschwinden des Mitarbeiters und Betriebsratsmitglieds R3xxxx F3xxx zu organisieren. Hierzu möchte ich folgendes mitteilen:

Am 05.02.2002 hat es eine Besprechung zwischen den beiden Inhabern der Firma, den Herren J2xxxx F1xxxxxxxx und H4xxx F1xxxxxxxx und den Betriebsratsmitgliedern S6xxxx T3xxxx, R5xxxx B5xxxxxx, M4xxx R6xxx, J3xx K2xxxxxx, M5xxx B6xxxxxxx und mir gegeben. Zum Ende dieses Gespräches hat Herr H4xxx F1xxxxxxxx wörtlich gesagt: „Der F3xxx muss weg, das ist mir 100.000 wert, Herr S1xxxxxxxxx, Sie können doch Stapler fahren”. Ich habe dieses als ausdrückliche Aufforderung betrachtet, Herrn F3xxx gegen Bezahlung mit einem Stapler totzufahren. … „

Mit Schreiben vom 14.08.2002 (Bl. 76 ff.d.A. 10 Sa 1036/03 Landesarbeitsgericht Hamm) erstattete das Betriebsratsmitglied T3xxxx Strafanzeige wegen aller in Betracht kommender Straftatbestände gegen sechs Mitglieder der Geschäftsleitung der Beklagten sowie gegen weitere fünf Mitglieder des Betriebsrates der Beklagten – 46 Js 510/02 StA Bielefeld –. Die Strafanzeige vom 14.08.2002 ist u.a. auf Behinderung der Betriebsratsarbeit gestützt. In der 13-seitigen Strafanzeige vom 14.08.2002 ist u.a. ausgeführt:

„…

Am 05.02.2002 habe ich zusammen mit den BR-Mitgliedern S1xxxxxxxxx, R6xxx, K2xxxxxx, B5xxxxxx und B6xxxxxxx ein Gespräch mit den Herren F1xxxxxxxx geführt. Inhalt des Gespräches sollte aus unserer Sicht sein, dass es doch möglich sein müsse, eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen dem BR und der GF/GL zu erreichen. Als Ergebnis kam heraus, dass Herr F1xxxxxxxx sen. seinen Standpunkt nach wie vor vertrat, ein BR gäbe es für ihn nicht, der sei für ihn einfach nicht existent. Äußerste Priorität hätte, dass Unternehmen und alles und jeder der eine andere Meinung vertritt gehöre weg. Was dann kam, hat mich geschockt. Es kam dann direkt im Zusammenhang der Aus...

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