Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Beweiswert. Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Verfallklausel. Tarifliche Ausschlussfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist der von Gesetzes wegen ausdrücklich vorgesehene Nachweis für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Einer solchen Bescheinigung kommt deshalb ein hoher Beweiswert zu. Regelmäßig kann der Beweis, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, als erbracht angesehen werden, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine solche Bescheinigung vorlegt.

2. Will der Arbeitgeber, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht gegen sich gelten lassen, muss er im Rechtsstreit Umstände darlegen und beweisen, die zu ernsthaften Zweifeln an der behaupteten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben.

 

Normenkette

EntgeltfzG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1; ZPO § 138; TVG § 4 Abs. 4 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 19.12.2008; Aktenzeichen 1 Ca 2721/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 19.12.2008 – Az. 1 Ca 2721/08 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle aus übergegangenem Recht.

Bei der Klägerin, einer Krankenkasse, ist der Zeuge D2 versichert, der befristet bis zum 08.01.2008 bei der Beklagten beschäftigt war.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Gebäudereinigung.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeugen D2 und der Beklagten fanden kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Regelungen des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk Anwendung.

Am 19.12.2007 gegen 11.30 Uhr teilte der Zeuge D2 der Beklagten mit, er müsse sofort die Arbeit einstellen, da er ein persönliches Problem habe. Ob dieses Gespräch mit der Zeugin K1-T1 oder einer anderen Person bei der Beklagten geführt worden ist, ist unter den Parteien streitig.

In einem weiteren Telefonat vom 19.12.2007 teilte der Zeuge D2 der Zeugin K1-T1 mit, er müsse seine Freundin „aus der Klapsmühle in A2” retten, er habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 19.12.2007 bis zum 04.01.2008 erhalten. Der weitere Inhalt des Gesprächs ist streitig, insbesondere ist streitig, in welchem Zusammenhang über einen Kinderkrankenschein hierbei gesprochen worden ist.

Mit Bescheinigung vom 19.12.2007 bescheinigte die Ärztin H2-B4 der LWL-Klinik in D1 Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 04.01.2008.

Unter dem 04.01.2008 erstellte sie eine Folgebescheinigung bis zum 18.01.2008.

Entgeltfortzahlung leistete die Beklagte für den Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht.

Die Klägerin erbrachte für den Zeitraum vom 20.12.2007 bis zum 08.01.2008 Krankengeldzahlungen in Höhe von insgesamt 655,00 EUR.

Mit Schreiben vom 07.01.2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, diese verweigere Entgeltfortzahlung, sie prüfe derzeit ob dies zu Recht erfolgt sei.

Auf Bitten der Klägerin unterzeichnete die Beklagte eine vorformulierte Erklärung unter dem 15.01.2008 und sandte diese an die Klägerin zurück.

Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:

„Wir werden einem eventuellen Erstattungsanspruch der Knappschaft gemäß § 115 SGB X für das aus Anlass der oben bezeichneten Arbeitsunfähigkeit gezahlte Krankengeld die Einrede der Verjährung, des Verfalls und der Verwirkung nicht entgegenhalten.”

Mit Schreiben vom 28.03.2008 machte die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Krankengeldes in Höhe von 655,00 EUR geltend.

Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.04.2008 ab. Zur Begründung war ausgeführt, der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert. Der Zeuge D2 habe am 19.12.2007 gegen 11.30 Uhr mitgeteilt, er müsse sofort die Arbeit einstellen, da er ein persönliches Problem habe. Kurz vor 15.00 Uhr habe er dann in einem weiteren Telefonat mitgeteilt, dass er seine Freundin aus der Klapsmühle in A2 retten müsse, weil sie dort stationär eingewiesen werden solle. Er habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 19.12.2007 bis 04.01.2008 erhalten, er habe seine Freundin und das gemeinsame Kind mitgenommen. Auf die Frage der Zeugin K1-T1, ob er ebenfalls krank sei, habe der Zeugin D2 geantwortet, er sei nicht krank, es handele sich um einen Kinderkrankenschein, da sich niemand um das gemeinsame Kind kümmern könne.

Mit der unter dem 30.05.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei nicht erschüttert.

Die Klägerin hat hierzu die von der Beklagten mit Schreiben vom 16.04.2008 vorgetragenen Bedenken mit Nichtwissen bestritten und im Übrigen die Auffassung vertreten, sie seien ...

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