Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zeugniserteilung durch freiberuflich, d. h. nicht im Betrieb tätigen Rechtsanwalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Jedes Zeugnis ist schriftlich abzufassen. Der Arbeitgeber muß dabei als Aussteller des Zeugnisses mit Namen und Anschrift erkennbar sein. Es ist deshalb grundsätzlich der Firmenbogen des Betriebes zu verwenden, bei dem der Arbeitnehmer beschäftigt gewesen ist. Ist ein Zeugnis nicht unterzeichnet, ist es formal unvollständig, so daß seine Ergänzung im Vollstreckungsverfahren durchgesetzt werden kann. Eine ausdrückliche Verurteilung zur „Unterschrift” ist daher nicht notwendig.

2. Für die Unterzeichnung des Zeugnisses vertretungsberechtigt sind bei einer Einzelfirma deren Inhaber und bei juristischen Personen alle Personen, deren Berechtigung sich aus dem Vereins-, Handels- oder Genossenschaftsregister ergibt. Der Arbeitnehmer hat regelmäßig keinen Anspruch darauf, daß der Arbeitgeber das Zeugnis persönlich unterschreibt. Deshalb kann gerichtlich keine Verurteilung zur Unterschrift durch eine bestimmte Person erfolgen (Bestätigung vonLAG Hamm, Urt. v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16).

3. Es versteht sich in einer arbeitsteiligen Organisation von selbst, daß der Arbeitgeber die Verpflichtung zur Zeugnisausstellung auch durch andere Betriebsangehörige wahrnehmen lassen kann. Daher gehören zum Kreis der Zeugnisberechtigten auch Prokuristen, Generalbevollmächtigte, Handlungsbevollmächtigte, Betriebs- und Werksleiter oder mit Personalangelegenheiten betraute Personen, die insoweit für den Arbeitgeber verbindliche Erklärungen abgeben dürfen, also einstellungs- und entlassungsbefugt i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG bzw. des § 14 Abs. 2 KSchG sind.

4. Die Ausstellung des Zeugnisses durch einen freiberuflich, d. h. nicht im Betrieb tätigen Rechtsanwalt ist unzulässig (Bestätigung vonLAG Hamm, Bes. v. 02.11.1966 – 3 Ta 72/66, DB 1966, 1815). Nach § 3 Abs. 3 BRAO hat der Arbeitgeber zwar das Recht, „sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten … zu lassen”, und er kann auch das von seinem Anwalt entworfene Arbeitszeugnis wortwörtlich übernehmen. Die Unterzeichnung des Zeugnisses ist jedoch keine „Rechtsangelegenheit” im Sinne dieser Vorschrift, so daß die Berufung auf § 3 Abs. 2 BRAO, wonach das Recht des Anwalts, „in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, … nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden” kann, fehlschlägt.

5. Eine von den Arbeitsvertragsparteien über den Inhalt eines Zeugnisses geführte außergerichtliche oder gar gerichtliche Auseinandersetzung darf aus der Fassung des Zeugnisses nicht zu entnehmen sein. Eine Bezugnahme auf das Urteil, das dem Arbeitgeber die Zeugnisberichtigung aufträgt, ist daher im Zeugnis ebensowenig erlaubt wie eine Andeutung, daß außergerichtlich ein Streit über seinen Inhalt bestanden hat, und daß der Arbeitgeber sich im Vergleichswege mit dem Arbeitnehmer oder seinem Anwalt oder seiner Gewerkschaft auf eine Neufassung geeinigt hat. Diese Grundsätze gelten für die Erstausstellung eines Zeugnisses entsprechend, so daß auch von daher gesehen die Unterzeichnung eines Zeugnisses durch einen freiberuflich tätigen Rechtsanwalt unzulässig ist.

 

Normenkette

BRAO § 3 Abs. 2-3; GewO § 113

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Zwischenurteil vom 21.10.1998; Aktenzeichen 2 Ca 304/98)

 

Unterschriften

gez. Berscheid

 

Fundstellen

Haufe-Index 513768

MDR 2000, 590

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