Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Arbeitsverweigerung bei berechtigter Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts. Hinweispflicht bei der Ausübung des urückbehaltungnsrechts durch den Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Schuldner muss vor der Ausübung seines Zurückbehaltungsrecht dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, dass er sein Recht aufgrund einer ganz bestimmten, konkreten Gegenforderung ausüben werde. Nur so kann der Arbeitgeber den vermeintlichen Anspruch des Arbeitnehmers prüfen und ggfls. erfüllen.

Auch darf die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht dazu führen, die Durchsetzung der Gegenforderung praktisch zu vereiteln. Eine insoweit unzureichende Rechtsausübung ist daher anzunehmen, wenn die Erfüllung der unbestrittenen Gegenforderung im Hinblick auf eine Eigenforderung verweigert wird, deren Klärung derart schwierig und zeitraubend ist, dass die Durchsetzung der Gegenforderung auf unabsehbare Zeit verhindert werden kann (vgl. BGH 17.11.1999 - XII ZR 281/97, NJW 2000, 948).

 

Normenkette

BGB § 273 Abs. 1, § 626 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Entscheidung vom 17.01.2012; Aktenzeichen 3 Ca 1501/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 17.01.2012 - 3 Ca 1501/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

Der 1966 geborene Kläger, der drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit 1999 in dem von dem Beklagten betriebenen landwirtschaftlichen Betrieb als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Parteien führten bereits Rechtsstreitigkeiten über weitere Kündigungen. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 05.07.2011 (3 Ca 214/11) wurden mehrere Kündigungen für unwirksam erklärt wegen Verstoßes gegen § 18 BEEG. Durch Urteil vom 18.11.2011 (3 Ca 1307/11) stellte das Arbeitsgericht Münster fest, dass die Kündigung des Beklagten vom 19.07.2011 wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis der Kündigung nach § 126 BGB das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst hat.

Nach Verkündung des Urteils in dem Rechtsstreit 3 Ca 214/11 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten unter dem 19.07.2011 schriftlich an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächst möglichen Termin und forderte den Kläger auf, sich am 20.07.2011, 7 Uhr, zur Arbeitsaufnahme an der Arbeitsstelle T1 in S1 einzufinden. Weiter heißt es in dem Schreiben:

"Ich mache bereits jetzt darauf aufmerksam, dass Ihr Auftraggeber mit fristloser Kündigung zu rechnen hat, falls er der Arbeit fernbleibt."

sowie:

"Herr Z1 wird den Lohn für die Monate 1 - 2/11 abrechnen und nachzahlen. Da eine Überleitungsanzeige der Arbeitsverwaltung vorliegt, ist entsprechende Abstimmung mit der Arbeitsverwaltung erforderlich, bevor ein eventuelles Restguthaben an Ihren Auftraggeber zu zahlen ist. Das Weihnachtsgelt, welches Sie mit Schreiben vom 21.01.2011 geltend gemacht haben, wird nachgezahlt.

Für die Monate 3 - 4/11 ruht das Arbeitsverhältnis aufgrund der beantragten Elternzeit. Deshalb steht Ihrem Auftraggeber kein Differenzlohn zu.

Für die Monate 5 - 7/11 bitte ich um Übersendung der Lohnabrechnungen, damit ein eventueller Differenzlohn berechnet werden kann.

.....

Das gewünschte Zeugnis erhält Ihr Auftraggeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Stempelkarten seit September 2010 gibt es nicht, weil Ihr Auftraggeber seither nicht gearbeitet hat. Abrechnungen für das Jahr 2009 sind erledigt. Auf die Verfallfristen im Manteltarifvertrag für Landarbeiter in Westfalen-Lippe sei verwiesen."

Für die weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 19.07.2011 wird verwiesen auf Blatt 109, 110 d.A..

Der Kläger hatte seine Arbeitsleistung tatsächlich seit Sommer 2010 nicht mehr erbracht. Seit dem 01.04.2011 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma T2 Zeitarbeit.

Unter dem 09.08.2011 kündigte der Beklagte schriftlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Auf den Inhalt des Kündigungsschreibens wird für die Einzelheiten verwiesen (Bl. 3 d.A.). Das Kündigungsschreiben ist unterzeichnet von dem Beklagten und dessen Ehefrau R2 Z1 und ging dem Kläger am 10.08.2011 zu.

Der Beklagte begründet die Kündigung mit einer fortdauernden und beharrlichen Arbeitsverweigerung des Klägers und schob mit Schriftsatz vom 13.10.2011 nach, der Kläger habe im Juli 2011 hinter dem Rücken des Beklagten bei dessen Pächtern vorgesprochen, namentlich bei W1 S2, um in Kenntnis der bisher gezahlten Pachtzinse die Verpächter zu bewegen, das Pachtverhältnis mit dem Beklagten zu lösen und gegen eine erhöhte Pacht an den Wettbewerber, seinen Freund M1 B1, zu verpachten. Mit diesem nachgeschobenen Sachverhalt begründet der Beklagte auch die weitere, vorsorgliche Kündigung vom 16.08.2011, dem Kläger am selben Tag zugegangen, mit der das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweis...

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